Umstrittener Impfstoff aus Russland: Was kann Sputnik V wirklich?
Moskau/Berlin –
Wie der legendäre Satellit, nach dem er benannt ist: Auf dem Corona-Impfstoff Sputnik V liegen in Russland große Hoffnungen. Auch in den deutschen Orbit könnte er bald kommen, der Chef der Ständigen Impfkommission attestierte ihm gestern eine „clevere Bauweise“. Was hat es mit dem Vakzin auf sich? Und was würde seine Zulassung hierzulande bedeuten?
- Wie funktioniert Sputnik V?
Sputnik V ist ein Vektorimpfstoff, bei dem ein anderes, harmloses Virus als Transportmittel für genetische Informationen des SARS-CoV-2 benutzt wird. Vektorimpfstoffe sind gut erprobt und können in normalen Kühlschränken gelagert werden. Um die vollständige Schutzwirkung zu entfalten, muss Sputnik V wie andere Impfstoffe auch zwei Mal verabreicht werden.
- Warum stand der Impfstoff in der Kritik?
Sputnik V wurde schon im Sommer in Russland zugelassen, obwohl breit angelegte klinische Tests noch ausstanden und mit weltweit üblichen Standards gebrochen wurde. Russische Forscher veröffentlichten zudem kaum Daten über das Vakzin.
Sputnik ist mit Biontech/Pfizer und Moderna-Impfstoff vergleichbar
- Wie wirksam ist Sputnik V?
Laut einer Studie im Fachmagazin „The Lancet“ wirkt Sputnik V zu 91,6 Prozent und ist damit mit Biontech/Pfizer und Moderna vergleichbar. Es ist unklar, wie gut er gegen die Mutationen wirkt. Auch diese Studie wurde von einigen Wissenschaftlern kritisiert. Aktuell prüft die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) den Impfstoff. Gestern sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, zur „Rheinischen Post“: „Das ist ein guter Impfstoff, der vermutlich auch irgendwann in der EU zugelassen wird.“
- Brauchen wir Sputnik V überhaupt?
Läuft es wie geplant, könnte die deutsche Bevölkerung auch ohne Sputnik V durchgeimpft werden. Sechs andere Hersteller sollen bis Ende des Jahres 323,7 Millionen Dosen liefern. Doch je mehr Impfstoff es gibt, desto schneller wird Deutschland immun – vorausgesetzt, die Logistik klappt. Zudem könnten zusätzliche Dosen von Sputnik V etwaige Lieferschwierigkeiten anderer Hersteller ausgleichen. Laut der Denkfabrik „Chatham House“ sind Engpässe bei Impfstoffrohstoffen und Verpackungsmaterialien zu befürchten.
Russland vertreibt Sputnik V schon ins Ausland
- Wann und wie viel könnte Russland liefern?
Laut dem russischen Impfstoffvermarkter RDIF könnte Russland ab Juni 50 Millionen Menschen in der EU mit dem Impfstoff versorgen. Laut „Tagesschau“ beklagen allerdings viele Länder, die Sputnik V bestellt haben, Lieferengpässe. Ab Juli soll das Vakzin auch in Italien hergestellt werden, über eine Produktion in Deutschland wird diskutiert.
- Nutzt Russland Sputnik zur Propaganda?
In Russland sind bislang nur rund fünf Millionen Menschen mit Sputnik V geimpft. Trotzdem vertreibt Russland den Impfstoff schon ins Ausland – und baut damit sein Einflussgebiet aus, so Politikwissenschaftler Florian Bieber im ZDF. Unter anderem in Südosteuropa und dem Balkan. EU-Ratspräsident Charles Michel warf Russland und China vor, Corona-Impfstoffe als Propagandamittel einzusetzen.
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- Welche Rolle spielt Sputnik V in den deutsch-russischen Beziehungen?
Über den richtigen Umgang mit Russland wird immer wieder diskutiert. Seit der Ukraine-Krise haben sich die deutsch-russischen Beziehungen verschlechtert, auch Putins Umgang mit Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat erneut zu Konflikten geführt. Sollte man trotzdem einen Sputnik-V-Deal eingehen? Ende Januar sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass man über Differenzen hinweg in der Pandemie zusammenarbeiten könne. Auch Politiker, die sonst den Baustopp der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 forderten, halten sich bislang zurück.