Hamburger Hundegesetz: Rasseliste: 20 Jahre Streit um die gefährlichen Hunde
Gibt es Hunde, die von Geburt an gefährlich sind? An dieser Frage arbeiten sich Politik und Tierfreunde in Hamburg seit 20 Jahren ab. Wie bewerten Tierschützer und Parteien das umstrittene Hamburgische Hundegesetz nach zwei Jahrzehnten?
„Kampfhunde werden verboten“, versprach die Politik nach Volkans Tod der geschockten Öffentlichkeit. Schon an dem Begriff scheiden sich die Geister. Tierschützer sprechen stattdessen von „Listenhunden“ oder „Kat-1-Hunden“. Vier Rassen stehen im Hamburgischen Hundegesetz auf der „Liste für unwiderlegbar gefährliche“ Hunde der „Kategorie 1“: American Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier, sowie alle ihre Mischlinge.
Selbst wenn sie lammfromm sind und mit Bravour den Wesenstest bestanden haben, dürfen „Kat-1-Hunde“ in Hamburg nicht gehalten werden.
Kurios: Direkt hinter der Stadtgrenze sind die „unwiderlegbar gefährlichen Hunde“ offenbar kein Problem. Rund um Hamburg gilt ein Hund erst dann als gefährlich, wenn er sich gefährlich verhält. Niedersachsen hatte nie eine Rasseliste, Schleswig-Holstein schaffte seine 2016 ab.
„Ein problematisches Verhalten von Hundebesitzern lässt sich nicht mit einer Rasseliste lösen“, räumt Lisa Maria Otte, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion ein: „Sinnvoller wäre es, einen Hundeführerschein für alle verbindlich zu machen.“
Führerschein statt Rasseliste? Diesen grünen Angriff auf das „bewährte Hamburgische Hundegesetz“ blockt die SPD gleich ab: „Sicher wird man mit pauschalen Richtlinien nicht jedem einzelnen Tier gerecht, aber alle Hamburgerinnen und Hamburger müssen sich in ihrer Stadt sicher fühlen können“, springt Alexander Mohrenberg, SPD-Tierschutz-Experte, für die Liste in die Bresche.
Moderater ist der Tonfall in der CDU: „Viele andere Bundesländer haben auf Grundlage neuerer Erkenntnisse entschieden, dass die strikte Rasseliste abgeschafft wird“, so der tierschutzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Sandro Kappe: „Auch Hamburg darf sich dem nicht grundsätzlich verschließen.“
In seltener Einmütigkeit steht dabei die Linke an der Seite der Konservativen. Auch der Linken-Abgeordnete Stephan Jersch fordert die Überprüfung des Hundegesetzes: „Hamburg macht es sich zu einfach, indem es mit der Rasseliste davon ablenkt, dass einige Halterinnen und Halter von Hunden das Problem sind.“
Hamburg: Zwinger im Tierheim sind voll mit „Kat-1-Hunden“
Während die Bürgermeisterpartei SPD die Abschaffung der Rasseliste blockiert, sind die Zwinger im Tierheim voll mit „Kat-1-Hunden“. Im Schnitt 60 Tiere, unvermittelbar trotz bestandenen Wesenstests. „Wir wünschen uns , dass das Gesetz dahingehend geändert wird, dass auch Kat-I-Hunde mit einem Wesenstest ihre ,Unschuld’ beweisen und zukünftig legal gehalten werden können“, sagt Janet Bernhardt, Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins.
Ein Schlupfloch bietet das Gesetz: Wer ein „berechtigtes Interesse“ an einem gefährlichen Hund nachweist, bekommt eine Ausnahmegenehmigung. „Uns wäre schon geholfen, wenn man ein berechtigtes Interesse damit nachweisen könnte, dass man einen Hund aus dem HTV adoptieren will“, sagt Janet Bernhard.
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Derzeit leben 65 Staffordshire Terrier-Mischlinge mit einer Ausnahmegenehmigung in Hamburg, keiner war ein Tierheimhund. Wie haben die Halter das geschafft? Was ist ein konkretes Beispiel für ein „berechtigtes Interesse“ an einem gefährlichen Hund?
Da muss selbst die zuständige Justizbehörde auf MOPO-Anfrage passen, verweist schwammig darauf, dass die Genehmigung durch die Verbraucherschutzämter in den Bezirken erteilt wird, wenn der Halter „ein besonders geschütztes Interesse glaubhaft macht, auf Grund dessen die Untersagung der Haltung des gefährlichen Hundes gegenüber dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung außer Verhältnis steht.“