200 Jahre „Peter Kölln“: Vom Schiffszwieback zum Schokomüsli
Peter Kölln – die Firma ist fast so bekannt wie Uhu, Tempo und Montblanc. „Blütenzarte Köllnflocken“ aus der blauen Verpackung hat praktisch jeder schon mal gegessen. Daher ist es auch kein Wunder, dass 80 Prozent der Deutschen die Marke kennen. Mit der Idee, Haferflocken und Schokolade zu kombinieren, revolutionierte die Elmshorner Firma in den 70er Jahren die Frühstücksgewohnheiten von Generationen von Deutschen. Das Kölln Schokomüsli ist immer noch Marktführer.
Am vergangenen Dienstag feierte die Firma 200-jähriges Jubiläum – obwohl genau genommen die Wurzeln noch viel weiter zurückreichen: nämlich bis ins Jahr 1795. Damals erwarb ein gewisser Hans Hinrich Kölln (1770-1812) eine pferdebetriebene Grützmühle, spezialisierte sich auf die Verarbeitung von Gerste, Hafer und Buchweizen und versorgte die nach Grönland auslaufenden Elmshorner Walfänger mit Schiffszwieback.
„Kölln Flocken“: 10. November 1820 gilt als Gründungsdatum
Hans Hinrichs zweitältester Sohn Peter Kölln (1796-1858) übernahm 1812 den Familienbetrieb und legte den Grundstein für das heutige Unternehmen, als er sich am 10. November 1820 als Grützmacher und Kornhändler in das Handelsregister zu Hamburg-Altona eintrug. Dieses Datum gilt seither als Geburtstag des Konzerns.
1860 erkannte Peter Ferdinand Kölln (1838-1886), der Sohn des Firmengründers, die Vorteile der Industrialisierung und ersetzte beim Antrieb der Mühle die Pferde durch eine Dampfmaschine. Zusätzlich spielte ihm die Einführung der Gewerbefreiheit 1867 in die Karten, und auch der Anschluss Schleswig-Holsteins an Preußen war von Vorteil. Nach politisch unsicheren Jahren führten industrieller Fortschritt und bessere Transportmöglichkeiten zu Wachstum und Wohlstand.
200 Jahre „Peter Kölln“ in Elmshorn: Rückschläge blieben nicht aus
Aber auch Rückschläge blieben nicht aus. Die erste Katastrophe ereignete sich 1898, als bei einem verheerenden Feuer das Stammhaus der Köllns vollständig niederbrannte. Ein Vierteljahrhundert später kam es zu dem nächsten Inferno: Ein Feuer in der Mühle breitete sich rasend schnell aus und endete am 17. April 1926 mit der Staubexplosion des Getreidesilos. In beiden Fällen ließ sich die Familie Kölln nicht unterkriegen, baute den Betrieb immer wieder auf.
Die 20er Jahre waren geprägt von Inflation und Weltwirtschaftskrise. Trotz dieser widrigen Rahmenbedingungen gelang dem Unternehmen der Durchbruch zum Markenartikler: Um den Absatz zu steigern, brachten die Elmshorner handliche Haushaltskleinpackungen zu 250 Gramm bzw. 500 Gramm auf den Markt – ein absolutes Novum – und kurbelten so den Verkauf massiv an. Als weiterer Kaufanreiz wurden jeder Packung Haferflocken kleine Sammelkarten beigelegt. Besonders beliebt waren die Märchenbilder der Innsbrucker Malerin Roswitha Bitterlich (1920-2015): Ob Alt oder Jung – alle sammelten sie und klebten sie in den Band „Mit Roswitha ins Märchen-Land“ ein, der heute noch bei Liebhabern Spitzenpreise erzielt.
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Der cleverste Schachzug der Firma Kölln war die unverkennbare Gestaltung der Verpackung. Peter Klaus Diedrich Kölln entwickelte eine abwechselnd hell- und dunkelblau gestaltete Tüte im Schachbrettmuster und schuf damit eine der ersten Markenikonen überhaupt. 1938 wurden „Blütenzarte Köllnflocken“ in dieser typischen Verpackung als Warenzeichen eingetragen – bis heute sind sie das Flaggschiff der Marke.
Peter Klaus Diedrich Kölln war Mitglied der NSDAP
Die NS-Zeit ging nicht spurlos am Unternehmen vorüber. Peter Klaus Diedrich Kölln, der zuvor Mitglied des demokratiefeindlichen deutsch-nationalen „Stahlhelm“-Bundes war, trat 1937 in die NSDAP ein – allerdings nicht ganz freiwillig. Ein überzeugter Nazi in der Belegschaft schwärzte den Chef an, weil der ein Nicht-Parteimitglied befördert hatte. Dafür wurde Kölln heftig attackiert und von der Gestapo verhaftet. Durch die Parteimitgliedschaft schützte sich Kölln vor weiteren Anfeindungen dieser Art.
Aber die Firma schlug auch Profit aus der NS-Zeit – unter anderem, weil Haferflocken zur Verpflegung des Reichsarbeitsdienstes und der Wehrmacht gehörten. Die Firma beutete die Arbeitskraft von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aus. Allerdings muss ihr angerechnet werden, dass sie sich im Jahr 2000 an einem Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter beteiligte.
In den 70er Jahren kreierte Kölln das erste Schokomüsli
Während des Zweiten Weltkriegs blieben die Werke der Firma Peter Kölln wie durch ein Wunder von Bomben verschont. Doch die Familie Kölln musste den Verlust ihres ältesten Sohnes und Erben, Peter Max Markus Kölln, hinnehmen, der an der Front fiel. 1956 übernahm deshalb der zweite Sohn Ernsthermann Kölln (1923-2020) die Geschäfte. Er führte die Firma erfolgreich durch die Nachkriegszeit und modernisierte das Unternehmen: 1965 baute er das große Getreidesilo, dessen Schriftzug „Köllnflocken“ immer noch weithin sichtbar ist.
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Eine zündende Idee hatte Ernsthermann Kölln in den 1970er Jahren, als sich fertige Müsli-Mischungen zunehmender Beliebtheit an den deutschen Frühstückstischen erfreuten. Die Firma Kölln entwickelte das bis heute beliebteste Müsli überhaupt: das Kölln-Schokomüsli. Ernsthermann Kölln war der Erste, der Haferflocken mit Schokolade kombinierte. Seine Familie musste über Wochen immer wieder neue Mixturen verkosten, bis endlich die richtige Mischung feststand. Das Rezept ist übrigens bis heute unverändert.
2014 eröffnete das „Kölln Haferland“ in der Steinstraße
Im Jahre 1998 zog sich Ernsthermann Kölln im Alter von 75 Jahren aus dem operativen Geschäft zurück, wandelte das Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft um und übertrug die Geschäftsführung seinem Schwiegersohn Prof. Dr. Hans Heinrich Driftmann (1948-2016). Unter dessen Leitung übernahm die Firma 2004 die bekannten Marken Biskin, Palmin, Livio und Becht’s. Außerdem wurde Edelweiss Milchzucker als Lizenzmarke aufgenommen und 2014 kam mit Mazola eine weitere bekannte Speisemarke hinzu. Im selben Jahr eröffnete in der Hamburger City der erste Flagshipstore, das „Kölln Haferland“ an der Steinstraße. Seit Anfang Juli 2017 gibt es mit dem „Kleinen Haferland“ ein zweites Ladengeschäft in Westerland auf Sylt.
Biskin, Palmin, Livio und Mazola gehören auch zum Konzern
In 200 Jahren ist aus der kleinen Grützmühle ein modernes Industrieunternehmen mit 380 Mitarbeitern geworden. Der führende Haferflockenproduzent aus Elmshorn, der rund 125 Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet, ist immer noch in Familienbesitz, mittlerweile in siebter Generation. Die Geschäfte führt momentan der frühere CDU-Politiker Christian von Boetticher. In Zukunft soll Firmenerbin Friederike Driftmann die Leitung übernehmen.