Cum-Ex-Skandal: Tagebücher eines Privatbankiers bringen Scholz in Bedrängnis
Die Notizen eines betagten Privatbankiers bringen Olaf Scholz in Bedrängnis: Christian Olearius (78), Chef der Warburg Bank, hat in seinen Tagebüchern mehrere Treffen mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Scholz festgehalten. Im Finanzausschuss des Bundestages hatte Scholz diese Zusammenkünfte zur Hochphase des Cum-Ex-Skandals aber auch auf Nachfrage nicht erwähnt.
Was die Recherchen von „Zeit“ und „NDR-Panorama“ ans Licht befördert haben, lässt die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal in einem neuen Licht erscheinen: Just als der Privatbank gigantische Rückzahlungen an das Finanzamt drohten, traf der Bankchef sich öfter mit Scholz, als dieser bisher eingeräumt hat. Dass der Bürgermeister sich aktiv in die Steuersache eingemischt hat, dafür geben die Eintragungen aber keinen Hinweis, wie „Zeit“ und „NDR- Panorama“ betonen.
Wie Olearius seinem Tagebuch anvertraute, hat er Scholz bei einem Treffen im Oktober 2016 ein siebenseitiges Schreiben mit den Argumenten der Bank überreicht, warum sie die Steuermillionen nicht zurückzahlen wollen.
Offenbar, so fürchtete man bei Warburg und im Rathaus, könnte die altehrwürdige Bank der Reeder zusammenbrechen, wenn sie dem Fiskus das ihm zustehende Geld tatsächlich zurückzahlen müsste. Die Staatsanwaltschaft Köln zeigte weniger Mitgefühl, sie ermittelte zu dem Zeitpunkt bereits gegen Olearius und die Warburg Bank.
Warburg und Scholz: Das sagt die Linke
Fabio De Masi, Vize-Fraktionsvorsitzender der Linken im Bundestag, wirft dem SPD-Kanzlerkandidaten vor, im Bundestag die Unwahrheit gesagt zu haben: Scholz habe „Pinocchio gespielt“ und nur ein Treffen 2017 eingeräumt. Er, De Masi, habe im März 2020 Scholz im Finanzausschuss konkret zu weiteren Treffen mit Olearius im Zusammenhang mit dem Cum-Ex Steuerverfahren der Warburg Bank gefragt: „Scholz offenbarte die Treffen nicht, verwies auf das Steuergeheimnis und teilte mit, es gäbe über die bekannten Medienberichte hinaus nichts zu berichten.“
De Masi habe daraufhin eine als geheim eingestufte Sitzung beantragt: „Über den Inhalt darf ich nicht sprechen. Jedoch darf ich sagen, dass weder die weiteren Treffen noch das fragliche Dokument dem Bundestag zu irgendeinem Zeitpunkt trotz expliziter Nachfragen offenbart wurden.“
Scholz und Cum-Ex: Grüne fühlt sich getäuscht
Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, nahm ebenfalls an der geheimen Sitzung teil und sagt angesichts der neuen Enthüllungen: „Ich fühle mich klar getäuscht vom Bundesfinanzminister.“
Auch Norbert Hackbusch, Finanzexperte der Linken-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, spricht von einem „Skandal“: „Die neuen Enthüllungen lesen sich, als ob sich Teile der Steuerverwaltung nicht für die Allgemeinheit, sondern für die Interessen der Finanzwirtschaft eingesetzt haben.“
Olearius-Tagebücher: Hilfreiche Finanzbeamtin
Tatsächlich schildert Olearius in seinem Tagebuch auch das hilfreiche Wirken der zuständigen Finanzbeamtin, die sich mit aller Kraft und entgegen ihrer Aufgabe dafür einsetzte, dass die Bank ihre Steuerschulden nicht zurückerstatten musste, sich dafür sogar mit dem Bundesfinanzministerium anlegte. Die Beweggründe der Staatsdienerin bleiben rätselhaft.
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Auch die SPD-Granden Johannes Kahrs und Alfons Pawelczyk tauchen als freundliche Bankenhelfer in Olearius‘ Aufzeichnungen auf. Pawelczyk soll der Bank als Türöffner zum Bürgermeister gedient haben.
Olaf Scholz: Gedächtnislücken im Ausschuss
Dennis Thering, Chef der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft, wundert sich über die Gedächtnislücken, die Scholz bei der Befragung durch die Bundestagsabgeordneten gezeigt hat. Der Finanzminister gelte sonst als „detailverliebter Aktenleser“. Thering: „Was hat Scholz zu verbergen? Warum gibt er nur zu, was er ohnehin nicht mehr leugnen kann? Was wurde bei den Treffen besprochen? Gab es gar eine Einflussnahme auf die Steuerverwaltung?“
Anna von Treuenfels-Frowein, FDP-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der Bürgerschaft.
Warburg im Zentrum von Cum-Ex-Geschäften
Warburg war die Bank, über die in frühen Zehnerjahren viele der skandalösen Cum-Ex-Geschäfte abgewickelt wurden, bei denen Banken Wertpapiere so lange im Kreis verkauften, dass am Ende nicht mehr nachzuvollziehen war, wer dafür Steuern gezahlt hatte. Die Folge des Schlupfloches: Das Finanzamt zahlte Steuern zurück, die es zuvor gar nicht kassiert hatte. Eine magische Geldvermehrung für die Banken und eine gigantische Plünderung des Staates.