Mit dem Segen vom Chef: Prost! Er trinkt sein erstes Bier morgens um 7 Uhr
Hausbruch –
Eine Million Flaschen und 3000 Fässer Bier verlassen täglich das Betriebsgelände von Holsten in Hausbruch. Vor ziemlich genau einem Jahr startete die Ur-Hamburger Brauerei dort neu, nach 140-jähriger Tradition in Altona. Die MOPO sprach mit Diplom Ingenieur für Brauereiwesen Olaf Rauschenbach (57), der selbst schon seit 30 Jahren bei Holsten arbeitet, über sein erstes Bier am Morgen, die Craft-Beer-Szene und einen Ritter, der plötzlich mit Fahne statt mit Schwert reitet.
MOPO: Herr Rauschenbach, wofür braucht man diplomierte Braumeister? Das Rezept für Bier ist einfach, es dürfen eh nur vier Zutaten rein. Das kann ich ja sogar zu Hause herstellen …
Olaf Rauschenbach: Ja, die Rezeptur ist seit 3000 Jahren unverändert. Aber die Schwierigkeit ist, dass wir bei Holsten natürlich immer das gleiche Bier brauen wollen. Unser Holsten soll jedes Jahr gleich lecker schmecken, egal wie verregnet der Frühling oder wie heiß der Sommer war.
Könnte denn das Wetter den Geschmack des Bieres beeinflussen?
Natürlich. Der Hopfen hat je nach Wetter mehr oder weniger Bitterstoffe. Und die Gerste hatte in diesem heißen, trockenen Sommer im Norden weniger Stärke und mehr Eiweiß, darauf muss der Braumeister reagieren.
Aber Sie haben doch wegen des Reinheitsgebots kaum Möglichkeiten zu reagieren …
Stimmt. Wir ändern dann etwa die Temperatur im Maischegefäß und mälzen länger, ändern die Gärung und filtrieren schärfer.
Probieren Sie das dann zunächst in kleinen Braukesseln wie ein Hobbybrauer?
(lacht): Nein, das geht leider nicht. Das muss gleich auf der großen Anlage funktionieren. Das ist die Herausforderung. Allerdings gibt es vorab Informationen von Kleinmälzungen und Kleinbrauversuchen der Brauerei-Institute.
Würden Sie gern mehr experimentieren, statt immer die gleichen Biere zu brauen?
Klar, das macht Spaß. Aber ich bin ja hier bei Carlsberg Deutschland in der glücklichen Lage, Biere entwickeln zu dürfen, zum Beispiel „Astra Arschkalt“, „Duckstein Opal“ und „Duckstein Weizen“.
Wann trinkt denn ein Braumeister sein erstes Bier des Tages?
Also bei mir beginnt der Arbeitstag um 6 Uhr und um 7 Uhr verkoste ich unsere Biere – täglich. Das sind aber natürlich nur kleine Probiermengen.
Wieso ist das täglich nötig? Kann das nicht eine Maschine optimal einstellen?
Bier ist ein natürliches Produkt. Wie schmeckt es heute? Wie riecht es? Wie sieht es aus? Diese Prüfung kann einem keine Technik ersetzen. Wir prüfen auch alle Zwischenschritte. Zunächst die Würze, dann erneut nach der Vergärung, nach der Filtration und am Schluss das Endprodukt.
Hat sich der Geschmack von Holsten-Bieren denn nie verändert? Die Geschmäcker der Biertrinker haben sich ja schon geändert …
Ja. Vor circa 15 Jahren haben wir den Geschmack angepasst. Es sollte etwas weniger bitter sein und dennoch seinen typisch norddeutschen Charakter bewahren. Und auch das Design modernisieren wir immer wieder. Soll ja ein Eyecatcher sein und die Marke authentisch und zeitgemäß verkörpern.
Was war die letzte größere Veränderung?
Auf den neusten Etiketten etwa wurde der Holsten-Ritter neu gestaltet und reitet nicht mehr nach links, sondern nach rechts. Quasi in die Zukunft, was die Aufbruchstimmung in der Holsten-Brauerei durch den Umzug nach Hausbruch vor genau einem Jahr gut wiedergibt.
Ach ja! Und er hat das Schwert für eine Fahne aus der Hand gelegt. Was trinken Sie persönlich für ein Bier?
Ich trinke gern Holsten Edel, das bevorzuge ich seit meiner Brauerlehre. Im Urlaub trinke ich gern frische Biere aus der Region.
Was ich mich immer schon gefragt habe: Kann Bier eigentlich schlecht werden?
Nein. Der Geschmack ändert sich aber im Laufe der Zeit, dann ist es kein Genuss mehr. Es bekommt Alterungsnoten, wird pappig, irgendwann riecht es strenger (Anm. d. Red.: hier äußerte sich der Interviewte deutlich anschaulicher, der Begriff überlebte aber die Autorisierung durch die Pressestelle leider nicht) und zuletzt entwickelt es Sherryaromen.
Macht die Craftbeer-Szene den großen Bierherstellern Konkurrenz? Und reagiert Holsten darauf?
Wirtschaftlich spielt Craftbeer keine Rolle. Es hat unter einem Prozent Marktanteil. Aber wir greifen die neue Begeisterung für Biervielfalt auf. So haben wir etwa die „Duckstein Seasonals“ mit Craftbeer-Charakter entwickelt. Das ist aber ein Craftbeer, das eine breite Masse anspricht und nicht nur kleine Gruppen.
Also ist der Trend sogar eine Bereicherung?
Ja, ich bin der Szene dankbar. Durch sie hat Bier ganz neue Aufmerksamkeit und Wertschätzung bekommen. Früher war Wein das oberste aller Getränke. Jetzt geht es auch beim Bier mehr um Genuss und nicht um den schnellen Konsum.
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Herr Rauschenbach, wie genießen denn Sie Ihr Bier am liebsten?
In dieser Jahreszeit zum Grünkohl-Essen, zu dem ich eigentlich traditionell Freunde einlade. Leider erlauben die Umstände das aktuell aber nicht. Und im Sommer natürlich im Garten beim Grillen in geselliger Runde.