• Zwei Pikser, dann geht's wieder ohne Maske über die „Mö“? Der Impf-Start hat eine Debatte über Privilegien für Geimpfte entfacht. (Symbolbild)
  • Foto: imago images/Chris Emil Janßen

Debatte über Privilegien: Bekommen Corona-Geimpfte bald Sonderrechte?

Endlich mal wieder auf einem Festival in der Masse verschwinden oder völlig sorglos mit dem Flugzeug in ferne Länder reisen: Seit am Sonntag in Deutschland geimpft wird, geht es mit kleinen Schritten in Richtung Normalität. Unsere alte Freiheit, sie rückt endlich in greifbare Nähe. Bis ein Großteil der Deutschen allerdings eine Impfung gegen das Coronavirus bekommen hat, wird es noch einige Monate dauern. Doch was passiert bis dahin? Haben Menschen, die zuerst geimpft werden, bald Privilegien? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welche Branchen könnten auf Privilegien von Geimpften setzen?

Denkbar ist es, dass Kinobetreiber, Restaurantbesitzer, Festivalveranstalter, Museen, Geschäfte, Fluggesellschaften oder auch Sportstätten auf Vorteile für Geimpfte setzen, indem sie sich am Einlass den Impfnachweis zeigen lassen. So hatte zum Beispiel Lufthansa-Chef Carsten Spohr gegenüber der „Welt am Sonntag“ prognostiziert, „dass bei Interkontinentalflügen auf bestimmten Strecken künftig jeder Passagier entweder getestet oder geimpft ist“.

Wird es also dank Impfung bald wieder ausverkaufte Fußballfeste in Hamburg geben? „Natürlich verbinden wir damit die Hoffnung, in Zukunft wieder in einem ausverkauften Millerntor-Stadion Fußballspiele gemeinsam erleben zu können“, sagte St. Pauli-Geschäftsleiter Vertrieb, Bernd von Geldern, auf MOPO-Nachfrage. Der Klub habe aber „bisher keine Szenarien diskutiert, die eine Unterscheidung zwischen geimpft und nicht geimpft vorsehen.“ Grundsätzlich möchte St. Pauli all seine Fans „gleich behandeln“. Auch HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein wünschte sich gegenüber der MOPO „selbstverständlich“ bald wieder Fans im Volksparkstadion. „Voreilige und populistische Diskussionen um einen ausschließlich mit Corona-Impfung möglichen Stadionbesuch sind aber nicht angebracht“, sagte Wettstein weiter.

Aber wie ist überhaupt die rechtliche Lage?

Es ist fraglich, ob die private Wirtschaft derzeit überhaupt auf eigene Faust Einschränkungen für Nicht-Geimpfte einführen dürfte. Ohne Erlass der Bundesregierung, zum Beispiel im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes, oder ohne eine Verordnung der Bundesländer, könnte dies gegen geltende Regeln zum Daten- und Persönlichkeitsschutz verstoßen. Nach Artikel 9 der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist die „Verarbeitung personenbezogener Daten […] einer natürlichen Person untersagt“ – darunter fallen auch Gesundheitsdaten. Andererseits erlaubt die DSGVO auch Ausnahmen zum „Schutz vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren“. Bereits im Sommer hatte Hamburgs Datenschutzbeauftrager Johannes Caspar Alarm geschlagen – fast täglich gingen damals Beschwerden über die frei zugänglichen Kontaktlisten in Restaurants ein.

Auch der Vizepräsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbades (Dehoga), Niklaus Kaiser v. Rosenburg, äußerte gegenüber der MOPO Zweifel an einer solchen Regelung: „Sollten Politik und Wissenschaft entscheiden, Menschen aufgrund von Impfungen oder überstandenen Erkrankungen unterschiedliche Rechte einzuräumen, werden wir uns mit dieser Problematik auseinandersetzen. Nach unserem Rechtsverständnis ist dies jedoch unwahrscheinlich.“

Ist überhaupt sicher, dass Geimpfte nicht mehr ansteckend sind?

Ob die Corona-Impfung verhindert, dass jemand Geimpftes keine anderen Menschen mehr anstecken kann, ist derzeit noch nicht geklärt. „Erfahrungen mit anderen Impfungen deuten jedoch darauf hin“, heißt es von der Bundesregierung. Wer sich impfen lässt, verringert vor allem die eigene Gefahr, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. 

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Weil noch Erkenntnisse fehlten, seien Impf-Privilegien „weder kontrollierbar noch gut zu rechtfertigen“, sagte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach den Funke-Medien. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) appelliert für gegenseitige Rücksichtnahme. „Viele warten solidarisch, damit einige als erste geimpft werden können. Und die Noch-Nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden“, sagte der Politiker den Funke-Titeln.

Wie handhaben es andere Länder?

Einen staatlichen Nachweis gibt es zum Beispiel in Israel – mit dem „grünen Pass“ für Geimpfte. Dieser wird zwei Wochen nach der zweiten Impfung verteilt. Träger sind dann von der Quarantänepflicht befreit, dürfen wieder Restaurants besuchen und an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. In Großbritannien soll der sogenannte „Freiheitspass“ den Geimpften ebenfalls Vorteile einräumen. Wer sich zweimal in der Woche auf Corona testen lässt und negativ ist, muss dann keine Maske beim Einkaufen tragen und sich nicht mehr an Kontaktbeschränkungen halten.

Und was sagt die deutsche Spitzenpolitik?

Da ist ein klares Nein zu den Sonderrechten für Geimpfte zu vernehmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) versicherte in der „Bild am Sonntag“, es werde von staatlicher Seite keine Sonderrechte für Geimpfte geben. Seehofer sprach sich auch gegen Ungleichbehandlungen durch private Unternehmen aus. Wolfgang Miller, Präsident der Ärztekammer Baden-Württemberg, sieht in Privilegien dagegen ein gerechtes Druckmittel. „Dann kann ich nur nach Mallorca reisen, wenn ich geimpft bin“, sagte Miller. „Das wäre eine vertretbare Diskriminierung.“ Eine Einteilung in „Menschen erster und zweiter Klasse“ dürfe es nicht geben, betonte hingegen Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) im MOPO-Interview.

Brauche ich am Ende einen Corona-Impf-Ausweis?  

Die Idee klingt verlockend: Man lässt sich zweimal gegen Corona impfen und kann schon bald wieder leben wie vor der Pandemie. Aber wie weise ich nach, dass ich tatsächlich geimpft wurde? Muss ich bald einen Immunitätsnachweis tragen? Der Ethikrat lehnt dies bisher ab. Eine solche Bescheinigung dürfe nicht „für die Wiedergewährung von Freiheitsrechten bzw. das Auferlegen besonderer Verpflichtungen verwendet werden“. Anders sei dies, wenn ein großer Teil der Bevölkerung geimpft wurde und es mehr Erkenntnisse über die nachhaltige Immunität gebe. Eine freiwillige Bescheinigung sei dann denkbar und am besten gemeinschaftlich innerhalb der EU auszuarbeiten. 

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