• "Wir brauchen dringend Schutzmasken": Hebamme Lena Biermann (35) tastet den Bauch einer Schwangeren auf St. Pauli ab.

Hilferuf der Hebammen: Corona-Krise: „Wir brauchen schnell ein neues Geburtshaus!“

Das Baby zu Hause im eigenen Bett zur Welt bringen? In normalen Zeiten entscheiden sich nur zwischen zwei und drei Prozent der Schwangeren in Hamburg für diesen Weg. Doch angesichts der immer größeren Ansteckungsgefahr in den Krankenhäusern wächst die Nachfrage nach Hausgeburten. Die Hebammen bitten nun dringend um Material-Spenden. Und drängen auf die Gründung eines neuen Geburtshauses!

Bei den Hebammen des Zusammenschlusses „Hausgeburten Hamburg“ klingelt seit einer Woche das Telefon immer häufiger. „Die Frauen suchen nach Alternativen, weil sie nicht mehr in die Kliniken wollen“, berichtet Hebamme Lena Biermann.

Viele Frauen wollen ihr Baby nicht mehr im Krankenhaus zur Welt bringen

Viele Frauen haben Angst vor dem Virenpool im Krankenhaus. Aber auch die unklare Situation über die Anwesenheit der werdenden Väter bei der Geburt bereitet den Frauen Sorgen. Zwar lassen die meisten Kliniken die Partner trotz des vor einer Woche verkündeten Besuchsverbotes noch zu – allerdings kann sich das bei einer weiter zuspitzenden Lage bald ändern. Und meistens ist die Zulassung einer Begleitperson ohnehin von der Entscheidung des Chefarztes abhängig.

Biermann und ihre elf Kolleginnen versuchen, der großen Nachfrage gerecht zu werden. Allerdings kämpfen sie mit dem die gesamte Gesundheitsbranche betreffenden Engpass an Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln.

Hebammen: Wir brauchen Masken und Desinfektionsmittel

„Wir haben keine Schutzkleidung. Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel nur in begrenztem Maße“, so Biermann. Normalerweise seien sie nach Hausbesuchen verpflichtet, ihre Geräte einmal am Tag zu desinfizieren. Jetzt nach jeder Person. Biermann macht derzeit drei bis sechs Vor- und Nachsorgetermine pro Tag.

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„Wir brauchen dringend Spenden an Masken und Desinfektionsmitteln“, sagt Biermann. Angesichts des Mangels müsse man der Situation derzeit mit bedenklichen Methoden begegnen.

Untersuchung der Schwangeren nur noch auf Abstand

Da Corona eine Tröpfchen-Infektion ist, läuft die Vorsorge zum Teil per Telefon oder per Skype. Ist doch eine Untersuchung notwendig, weil die Frau Schmerzen oder Wehen hat, wird versucht, sie auf Abstand durchzuführen.

Corona: Hebammen bitten um Material-Spenden

Eine Hebamme wiegt ein Baby (Symbolbild). In der Corona-Krise arbeiten die Geburtshelferinnen unter erschwerten Bedingungen.

Foto:

picture alliance/dpa

„Ich halte zwei Meter Abstand zu der Frau und erkläre ihr, was ich gleich tun werde. Dann taste ich ihren Bauch ab und bleibe dabei still. Erst wenn ich wieder auf Distanz gegangen bin, teile ich ihr mit, was ich gefühlt habe. Wie das Baby liegt“, so Biermann. Für die Hebammen, die es gewohnt sind, Vertrauen zu schaffen und Sicherheit zu geben, ist das eine unschöne Arbeitssituation.

„Deutschland ist nicht auf eine Katastrophe vorbereitet“

Andrea Sturm, Vorsitzende des Hamburger Hebammenverbands, musste die Notsituation bei den Behörden erstmal erklären. „Die hatten uns gar nicht auf dem Schirm“, sagt Sturm. Inzwischen stünden sie zwar auf allen Listen der Behörden, doch wann die Lieferung kommt, ist nach wie vor unklar. Sturm: „Solange können die Kolleginnen nichts tun, als sich die Hände zu waschen.“ Die Vorsitzende kritisiert: „Deutschland ist nicht auf eine Katastrophe vorbereitet.“

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Angesichts der hohen Nachfrage an außerklinischer Geburtshilfe plädiert Lena Biermann für die sofortige Einrichtung eines dritten Geburtshauses in Hamburg. Das Geburtshaus in Altona sowie die kleine Einrichtung in Harburg könnten die Nachfrage schon lange nicht mehr bedienen. Seit 2005 haben sich die außerklinischen Geburten in Hamburg von 243 auf 399 Fälle in 2018 fast verdoppelt. Die Wartelisten der beiden Geburtshäuser sind lang. Viele Frauen müssen in die Kliniken gehen, obwohl sie es nicht wollen.

Hebammen fordern Gründung eines weiteren Geburtshauses

Corona hat die Lage nun noch einmal drastisch verschärft. Biermann fordert die Stadt zur Unterstützung auf. „Wenn wir einen Raum bekommen, könnten wir sofort loslegen. Das Konzept haben wir in der Tasche.“

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