Nach Insolvenz: Das plant Hamburgs neuer Auto-König mit den Wichert-Filialen
hamburg –
Fast 100 Jahre gibt es den Familienbetrieb Reimers, seit 1951 schon verkauft das Unternehmen in Rellingen VW. Jetzt hat der Chef Gerd Reimers (77) gerade zwei Filialen des pleitegegangenen Hamburger Konkurrenten Wichert übernommen. Im MOPO-Interview spricht er über seine Entscheidung, die Gründe der Wichert-Pleite und die Zukunft des Autohandels.
MOPO: VW Tiedtke ist 2018 pleitegegangen. Wichert übernahm. Nun ist Wichert insolvent und Sie haben zwei Filialen übernommen. Ziemlich mutige Entscheidung.
Gerd Reimers: Die Entscheidung ist gar nicht so mutig. Eines ist klar: Es gibt zu viele Autohändler in Deutschland. 15 000 Neuwagenhändler. Die werden sich auf 7000 reduzieren. Es gibt noch 900 VW-Händler und VW sagt, sie wollen runter auf 200. Der Grund: Zwischen Hersteller, Produktion und Vertrieb geht zu viel Wertschöpfung verloren. Es ist nicht mehr wirtschaftlich, mit ganz kleinen Betrieben zu arbeiten.
Tiedtke und Wichert waren nun keine kleinen Betriebe …
Ja, aber beide waren Discounter. Wenn wir 10 Prozent Nachlass gegeben haben, hat Wichert 13 Prozent angeboten. Das war ein großer Fehler. Die wollten den Markt „freikaufen“ und die Konkurrenz wegdrücken. Uns auch. Die wären schon froh gewesen, wenn es Reimers nicht mehr geben würde. Doch wir kennen Wichert-Mitarbeiter, die haben schon vor zwei Jahren geahnt – das kann nicht gut gehen.
Bei Wichert konnte man also nicht rechnen?
Sie haben nur so lange überlebt, weil sie einen ganz starken Kundendienst hatten. Das gilt allerdings für alle Neuwagenhändler Deutschlands – ohne Kundendienst wären die pleite. In zehn Jahren werden nur noch die Hersteller ihre Neuwagen verkaufen.
Zurück zu Ihrer Wichert-Übernahme. Was wollen Sie dort in den beiden Filialen anders machen?
Erst mal neu strukturieren. Solide rechnen, keinen Discount mehr. Unseren Familienbetrieb gibt es fast 100 Jahre, und wir haben immer solide finanziert und vor allem haben wir 300 fantastische Mitarbeiter. Wir haben null Fluktuation, im vergangenen Jahr hat nicht einer gekündigt. Das ist wie eine Familie.
Was bedeutet die Krise für den Autohandel? Kauft aktuell noch jemand ein neues Auto?
Das ist eine ganz, ganz schlechte Zeit. Am verkaufsoffenen Sonntag kommt kaum jemand, mit Mundschutz macht den Kunden das keinen Spaß. Ganz viele warten natürlich auch auf eine Kaufprämie vom Staat für Neuwagen. Viele Betriebe werden diese Krise nicht überleben.
Und wie ist die Lage bei Ihnen?
Wir haben hier einen Standortvorteil. Der Kreis Pinneberg hat die höchste Verkehrsdichte in Schleswig-Holstein. Wir haben hier eine hohe Kaufkraft und auch sehr viele Hamburger als Kunden. Jeder dritte Kunde ist Hamburger. Außerdem sind wir sehr stark im Nutzfahrzeuggeschäft. Will sagen: Wir haben es leichter als andere.
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Wie locken Sie die Hamburger über die Grenze?
Service! Und wir sind in der Werkstatt zehn Prozent billiger als Betriebe in der Hansestadt.
Fühlen Sie sich als Autohändler gut behandelt von VW?
Die Frage möchte ich nicht beantworten.
Wie sehen Sie denn grundlegend die Zukunft des Autohandels?
Wie gesagt – weniger als die Hälfte der Händler wird überleben. Es werden auch Marken verschwinden. Es wird ein Hauen und Stechen geben zwischen den Herstellern.
Kaufen bald alle ihr Auto im Internet?
Das ist ja kein Anzug, den Sie bei uns kaufen. Bei Audi beträgt der Durchschnittspreis so 50 000 bis 60 000 Euro. Nach der Immobilie ist das die zweitteuerste Anschaffung. Das macht man nicht mal eben im Internet. Die Kunden wollen das Auto anfassen. Wir haben einen Auslieferungsplatz, da haben die Leute Tränen in den Augen, streicheln ihren Wagen. Autos sind Emotion, Lebensfreude, ja wir verkaufen hier Lebensfreude.
Die „Verkehrswende“ ist in aller Munde. Fahren wir bald alle Rad?
Das können Sie vergessen. Die Radfahrer sind doch die schlechtesten Verkehrsteilnehmer. 80 Prozent der Menschen brauchen das Auto, um täglich zur Arbeit zu kommen.
Ihre Meinung zur E-Mobilität?
VW setzt ja voll drauf. Der Hersteller wünscht, dass wir 20 Prozent E-Fahrzeuge verkaufen. Tatsächlich verkaufen wir gerade mal etwa fünf Prozent …