• Die einstige Kapernaum-Kirche in Horn ist seit fast zwei Jahren eine Moschee.
  • Foto: Florian Quandt

Ehemalige Kirche : Diese Hamburger Moschee bewegte die Welt – und jetzt?

Horn –

Eine Hamburger Kirche wird zur Moschee, weil die christliche Gemeinde zu klein geworden war – es ist bald zwei Jahre her, da sorgte diese Nachricht international für Aufsehen, lockte TV-Teams aus aller Welt nach Horn. Inzwischen ist es still geworden um die Al-Nour Moschee. Zeit für einen Ortsbesuch.

An der vierspurigen Sievekingsallee reckt er sich 44 Meter empor, der einstige Kirchturm der Kapernaumkirche, freistehend neben dem Hauptgebäude. Wer vorbeifährt, sieht eine moderne Kirche, wie es  sie in den 60er Jahren viele gab, nur, dass auf der Spitze kein Kreuz in der Sonne leuchtet, sondern der Schriftzug „Allah“ auf arabisch. Dass in dem einstigen Glockenturm jetzt Fußwasch-Bäder im schicken marokkanischen Design untergebracht sind, das sieht man von außen nicht.

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Fußwaschbecken im einstigen Kirchturm der Kapernaumkirche Horn.

Foto:

Florian Quandt

Hamburg: Kirche wird zur Moschee – so ist die Lage jetzt

Frage an eine Passantin auf dem Weg zum nahen Pennymarkt: „Wie läuft es denn so mit der Moschee und der Nachbarschaft?“ Sie überlegt, sagt: „Och, ganz normal“ und eilt weiter. Ganz normal, mehr kann man sich für das Zusammenleben von Christen, Muslimen und Atheisten nicht wünschen.

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Der Schriftzug „Allah“ auf dem einstigen Kirchturm.

Foto:

 Florian Quandt

„Kann nichts schlechtes sagen“, meint ein Anwohner, seine Frau nickt: „Sieht auch besser aus jetzt. Die Kirche war ja in einem sehr schlechten Zustand am Ende.“

Kapernaumkirche in Hamburg-Horn wurde zur Moschee

Einer Nachbarin fällt dann aber doch etwas ein, was sie an der Moschee nebenan nervt: „Freitags, wenn alle zum Gebet kommen, dann ist hier alles zugeparkt, da findet man keinen freien Parkplatz weit und breit.“ Und an Ramadan, wenn die Muslime sich nach Sonnenuntergang vor der Moschee zum Fastenbrechen treffen, dann wird es manchmal etwas lauter. Und später. Dieses Jahr aber nicht, wegen Corona. Da wurden an der Moschee Cateringtüten zum Abholen bereitgestellt, auch für Nicht-Muslime.

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Daniel Abdin, Vorsitzender des islamischen Zentrums Al Nour. Im Hintergrund die Balustrade mit Texten aus der „Maria-Sure“ des Koran.

Foto:

Quandt/ Florian Quandt/ Florian

„Freude to go“, nennt Daniel Abdin, Vorsitzender des islamischen Zentrums Al Nour, die diesjährige Ramadan-Aktion. Abdin, offen, gläubig, leidenschaftlicher Demokrat und der SPD nahe stehend, ist der Mann, der dafür gesorgt hat, dass in Horn alles „ganz normal“ läuft.

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Freitagsgebet (vor Corona): Ist die Moschee voll, werden Parkplätze knapp.

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picture alliance/dpa

Kirche in Hamburg verkauft: Kapernaum-Gemeinde wurde immer kleiner

Er ist derjenige, der die Kirche überhaupt entdeckt hat. 2012, beim Surfen auf einem Immobilienportal: „Ich habe schon jahrelang nach neuen Räumen für unsere Gemeinde gesucht“, erinnert er sich, „alle möglichen Objekte habe ich angefragt, sogar leerstehende Küchenstudios, aber es kamen immer Absagen.“ Er erinnert sich noch an seinen ersten Gedanken: „Ich dachte, das wird bestimmt nichts, die Kirche verkauft ihre Gotteshäuser nicht an andere Glaubensgemeinschaften.“

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Dass es dann trotzdem klappte liegt daran, dass das Gebäude längst nicht mehr der evangelisch-lutherischen Kirche gehörte. 2002 war die Kirche entweiht und an einen Investor verkauft worden, weil die Kapernaum-Gemeinde immer weiter schrumpfte. Der Käufer baute Seniorenwohungen auf dem Gelände, nur für das denkmalgeschützte Ex-Gotteshaus hatte er keine Verwendung.

Die frühere Kapernaumkirche wurde fünf Jahre lang zur Al-Nour-Moschee umgebaut.

Die frühere Kapernaumkirche wurde fünf Jahre lang zur Al-Nour-Moschee umgebaut.

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Florian Quandt/

Hamburg: Das steht hinter dem Namen Kapernaumkirche

Die Kapernaumkirche, benannt nach einem Dorf am See Genezareth, in dem Jesus eine Zeit lang lebte, verfiel. Zehn Jahre lang. Fotos von damals zeigen einen verrammelten, beschmierten Bau. Dass ausgerechnet Muslime die Ex-Kirche retten sollten, das rief erwartungsgemäß Rechtsradikale auf den Plan. 2013 trommelten mehrere rechtsextreme Vereinigungen zum Protest, konnten aber nur 16 Demonstranten mobilisieren.

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Eine der Schmierereien an der Moschee-Wand – in falscher Schreibweise. 

Foto:

privat/hfr

Nazi-Protest gegen Moschee in Hamburg-Horn

„Diese Handvoll Nazis war von außerhalb angereist“, das ist Daniel Abdin wichtig, „von den Anwohnern haben wir so etwas nie erlebt.“ Nach der mauen Beteiligung sahen die Rechten zur Erleichterung des Stadtteils von weiteren Aktionen ab. Nur einmal noch, kurz vor der Eröffnung der Moschee 2018, beschmierten ein paar Nazis mit Rechtschreibschwäche die Außenwand der Moschee: „Nationaler Wiederstand“, „Anti-Christ“, „Teerreror“.

Unbekannte haben Beleidigungen an die Fassade der Moschee geschmiert.

Unbekannte haben Beleidigungen an die Fassade der Moschee geschmiert.

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RUEGA

Aber auch Christen und Muslime mussten sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass aus einer entweihten Kirche eine Moschee werden soll: „Die Steine sind heilig, auch nach der Entweihung“, hieß es von Kirchenvertretern. „Und Muslime machten sich Sorgen, dass dieser Kauf die Beziehung zu den Christen unnötig belasten würde“, erinnert sich Daniel Abdin, „aber das ist alles lange her. Inzwischen sind alle froh, auch die Christen, dass dieses wunderschöne Gebäude erhalten wurde.“

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Al-Nour-Moschee in Horn: Reaktion der Nachbarschaft

Wie konnte der weitgehend reibungslose Umgang mit der Nachbarschaft gelingen? Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Hans-Jörg Schmidt hat sein Wahlkreisbüro in der Nähe der Al-Nour-Moschee: „Was die super gemacht haben, war die große Transparenz von Anfang an“, lobt der Politiker, „die Nachbarschaft war zu Baustellenbesuchen eingeladen. Dadurch wurden viele Bedenken gleich am Anfang zerstreut.“ Die Leute sahen etwa, mit wie viel Geld und Liebe die muslimische Gemeinde die bunten Kirchenfenster restaurieren ließ, einschließlich dem stilisierten Kreuz.

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Mit viel Liebe und Geld von der muslimischen Gemeinde restauriert: die denkmalgeschützten Kirchenfenster.

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Florian Quandt

Maria-Sure: Verneigung vor der Vergangenheit als Kirche

Wer mit Daniel Abdin die Moschee betritt, erlebt auch nach drei Jahren seine ungebrochene Begeisterung für das Bauwerk: „Das hat doch etwas andalusisches“, preist er den hohen Gebetsraum. Schlicht habe man die Moschee von innen halten wollten, mit sparsamen Verzierungen. Die Empore ist mit arabischen Schriftzeichen geschmückt: „Aus der Maria-Sure“, erklärt Abdin: „Maria wird als Mutter von Jesus mehrfach im Koran erwähnt.“ Eine Verneigung vor der Vergangenheit der Moschee als Kirche.

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Die Beleuchtung der Gebetsnische wechselt – und die Wandornamente finden sich im Teppich wieder.

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Florian Quandt

Dann zeigt der  den Technikraum der Moschee: Heizung, Elektrik, alles wird per Touchscreen gesteuert. Supermodern. Das Licht in der Nische für den Vorbeter kann die Farbe wechseln.

Daniel Abdin: Lange im Vorstand der Schura Hamburg

Lange Jahre war Abdin im Vorstand der Hamburger Schura, dem Rat islamischer Gemeinschaften, handelte mit der Stadt 2012 den ersten Staatsvertrag mit Muslimen aus. Er ist Demokrat, steht der SPD nahe, ein offener, herzlicher Typ. Dass die Schura Abdin im April 2019 abwählte, wurde in der Politik alarmiert zur Kenntnis genommen: Der letzte gemäßigte Ansprechpartner in dem Rat sei damit weggefallen. Abdin wechselte zum Zentralrat der Muslime, gründete mit sieben Gemeinden den Landesverband Hamburg. 

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Verzierter Kunstoffhocker zur Ablage des Koran.

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Florian Quandt

An diesem Wochenende wird das islamische Opferfest gefeiert. Wegen Corona dürfen statt 1.200 maximal 200 Gläubige gleichzeitig beten – die Parkplätze könnten trotzdem knapp werden. Aber das geht ja nicht nur Nachbarschaften mit Moschee so.

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