• Aufnahmen aus Minsk zeigen, wie Sicherheitskäfte in zivil einen Demonstranten mit Schlagstöcken verfolgen.
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Oppositionsführerin verschleppt?: Maas fordert Klarheit und droht mit Konsequenzen

Minsk/Vilnius –

Nach dem Verschwinden der Oppositionellen Maria Kolesnikowa verlangt Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sofortige Aufklärung von der Führung in Belarus.

„Wir sind in großer Sorge um Frau Kolesnikowa. Wir fordern Klarheit um den Verbleib und die Freilassung aller politischer Gefangener in Belarus“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Die fortgesetzten Verhaftungen und Repressionen, auch und vor allem gegen die Mitglieder des Koordinierungsrates, sind nicht hinnehmbar.“

Berlin: Heiko Maas fordert Klarheit über Verbleib von Oppositionsführerin

Der Koordinierungsrat der Demokratiebewegung in Belarus hatte am Montag mitgeteilt, dass Kolesnikowa und zwei ihrer Mitarbeiter verschwunden seien. Er geht mittlerweile davon aus, dass sie entführt wurde. Kolesnikowa ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen den Staatschef Alexander Lukaschenko stellen. Am Montagabend gab es noch immer keine Informationen zu ihrem Verbleib.

„Wer die Bilder der friedlichen Demonstrationen aus Minsk sieht, der kann die Augen nicht davor verschließen, dass die Menschen einen Wandel in der Politik und im Führungsstil fordern“, sagte Maas. Die Bundesregierung arbeite in der EU mit Hochdruck an einem Sanktionspaket gegen das Regime in Minsk. „Wenn Herr Lukaschenko seinen Kurs nicht ändert, werden wir in der EU reagieren.“

Belarus: Oppositionsführerin Kolesnikowa offenbar verschleppt

Das Internetportal tut.by berichtete nach Darstellung einer Augenzeugin, dass Unbekannte am Montagmorgen Kolesnikowa in einen Minibus gesteckt und entführt haben sollen.

Aufnahmen aus Minsk zeigen, wie Sicherheitskäfte in zivil einen Demonstranten mit Schlagstöcken verfolgen.

Aufnahmen aus Minsk zeigen, wie Sicherheitskäfte in zivil einen Demonstranten mit Schlagstöcken verfolgen.

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Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Oppositionellen, die sich gegen den umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko stellen. Einige Kollegen des Gremiums waren zuvor schon festgenommen, ausgereist oder zur Ausreise gezwungen worden, unter anderem die Präsidentenkandidatin Swetlana Tichanowaskaja. Sie war nach der Wahl ins EU-Land Litauen geflüchtet.

Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Sie ist auch im Präsidium des Koordinierungsrates, der einen friedlichen Machtwechsel anstrebt. Kolesnikowa hatte viele Jahre in Stuttgart gelebt und von dort aus Kulturprojekte gemanagt. Kolesnikowa trat immer wieder bei Protestaktionen auf und wurde dabei von den Demonstranten bejubelt. Bei der Großdemonstration am Sonntag marschierte sie in Minsk mit.

Belarussen protestieren seit Wochen gegen Lukaschenko

Die Bürger von Belarus hatten zuvor am Wochenende mit Massenprotesten erneut ihren Unmut über das mutmaßlich manipulierte Wahlergebnis und Diktator Lukaschenko kundgetan. Behördenangaben zufolge soll es dabei mehr als 600 Festnahmen gegeben haben, Sicherheitskräfte sollen brutal gegen Demonstranten vorgegangen sein.

Seit Wochen demonstrieren Hunderttausende in Belarus gegen Diktator Lukaschenko

Seit Wochen demonstrieren Hunderttausende in Belarus gegen Diktator Lukaschenko. Auch am Sonntag standen sich Demonstranten und Sicherheitsktäfte in der Hauptstadt Minsk wieder gegenüber.

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Hintergrund der Proteste ist die Präsidentschaftswahl vor mehr als vier Wochen. Alexander Lukaschenko hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen, die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik, die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an.

Belarus: Demonstranten fordern Rücktritt Lukaschenkos

Seither toben Demonstrationen und Ausschreitungen in dem ehemaligen Sowjetstaat, allein in der Hauptstadt Minsk versammelten sich am Wochenende Zehntausende Menschen und forderten den Rücktritt Lukaschenkos. Beobachter sprachen sogar von rund 100.000 Teilnehmern, Behördenangaben zufolge sollen hingegen landesweit nur rund 30.000 Demonstranten auf die Straße gegangen sein.

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Mehr als 600 Menschen sollen während der Proteste verhaftet worden sein, rund 360 Demonstranten seien noch in Gewahrsam, teilte das Innenministerium in Minsk am Montag mit. Auch hier sind die Angaben widersprüchlich, das Menschenrechtszentrum Wesna hatte bereits am Sonntagabend von mehr als 200 Festnahmen gesprochen, über die die Aktivisten informiert wurden.

Lukaschenko

Machtdemonstration inmitten der Proteste: Präsident Alexander Lukaschenko posiert mit Kalaschnikow.

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Diktator Lukaschenko posiert mit AK-47 und bedroht Bürger

Berichten zufolge sollen die Sicherheitskräfte auch am Wochenende wieder brutal gegen Demonstranten vorgegangen sein. Bereits in der Vergangenheit hatten Aktivisten massive Menschenrechtsverletzungen angeprangert, freigelassene Häftlinge von Folter berichtet.

Derweil krallt sich Lukaschenko weiter im Amt fest und fährt eine Einschüchterungstaktik: Vor zwei Wochen hatte der Mann, der als der „letzte Diktator Europas“ gilt, für Fotos mit einer Kalaschnikow (AK-47) vor dem Präsidentenpalast posiert. (afp/dpa/skö)

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