Historische Pressekonferenz: St. Pauli-Trainer Jos Luhukay: Seine Rede im Wortlaut
Es waren denkwürdige 14 Minuten. In einer historischen Pressekonferenz vor dem letzten Heimspiel gegen Jahn Regensburg (Sonntag, 15.30 Uhr, Liveticker bei MOPO.de) antwortete St. Pauli-Trainer Jos Luhukay auf eine Frage der MOPO („Wie erklären Sie sich mit etwas Abstand den schwachen Auftritt in Hannover?“) mit einem emotionalen Monolog, der fast eine Viertelstunde andauerte. Hier können Sie seine Rede noch einmal im Wortlaut nachlesen.
„Es ist so, dass wir vor dem Spiel gesagt haben, wir brauchen eine Top-Leistung, um in Hannover zu bestehen und auch punkten zu können. Wir haben natürlich eine Situation, wenn man das in der Tiefe anschaut: Ich bin mit unglaublich vielen Ambitionen nach St. Pauli gekommen, weil der Verein für mich fantastisch ist, mit fantastischen Fans im Rücken, gerade auch bei unseren Heimspielen – die Atmosphäre. Bei Auswärtsspielen, die Unterstützung von unseren Fans, da bekomme ich immer noch Gänsehaut. Den Schritt habe ich noch nie bereut.
St. Pauli-Trainer Luhukay: „Wir wollten den Fußball verändern“
Was wollte St. Pauli mit meinem Amtsantritt? Wir wollten den Fußball verändern. Wir haben im Prinzip, gerade was die Heimspiele betrifft, den Fußball auch verändert. Wir haben offensiv, aggressiv, initiativ gespielt, mit manchmal zu wenig Belohnung, was eventuell den einen oder anderen Punkt mehr hätte bedeuten können. Heute ist unsere Heimbilanz, wo wir auf Platz sechs stehen, eigentlich ein Riesenaufwand, was wir uns an Punkten erarbeitet haben, aber auch in der Art und Weise, wie wir unsere Heimspiele absolviert haben – mit der fantastischen Unterstützung unserer Fans.
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Dann komm ich zu den Auswärtsspielen, da sehen sie auch ihre Frage: Wie ist das zu erklären? Weil wir auswärts nicht die Leistung abrufen können, die uns zu Hause so stark macht. Wenn man dann wieder auf die Fakten schaut, sind wir Vorletzter in der Auswärtstabelle. Also ist das keine Niederlage, wo wir uns jetzt den Kopf zerbrechen sollten. Weil wenn man 0:2 in Rückstand gerät, durch das Tor, wo Leo ausrutscht, und wir beim zweiten Tor nicht verteidigen, worauf ist das dann zurückzuführen? Ja, auf die ersten zwei Gegentore, wo individuelle Fehler gemacht werden, aber dass das dann zurückzuführen ist auf mich als Trainer, da bin ich selbstkritisch.
Jos Luhukay: „Vielleicht bin ich mein größter Selbstkritiker“
Vielleicht bin ich mein größter Selbstkritiker und ich lasse auch, was von außen kommt, auf mich zukommen. Bei den Ambitionen, die der Verein St. Pauli hat und warum ich zu St. Pauli gekommen bin, geht es a.) um Veränderungen, wie wir Fußball spielen wollen, und b.) um Veränderungen, um den absoluten Willen zu haben, tagtäglich aufs Neue stärker und besser werden zu wollen. Dann gehören da aus Trainersicht auch kritische Töne dazu.
Nach einem Spiel in der Analyse bin ich ein Trainer, der die Fehler auch anspricht, intern, und am Ende immer mit Ratschlägen, was hätte man besser, was hätte man anders machen könne Ich ende immer mit etwas Positivem. Auch im Hinblick darauf, die Mannschaft mitzunehmen in Richtung der nächsten Trainingseinheiten, aber auch in Richtung des nächsten Spiels. Das ist meine Aufgabe und dazu gehört, dass man motiviert, stimuliert, aber am Ende auch korrigiert.
Jos Luhukay: Das ist mein Antrieb beim FC St. Pauli
Mein Auftrag bei St. Pauli ist nicht, nur hier zu sein, um dabei zu sein. Mein innerer Antrieb und meine Ambition waren sehr erfolgreich in der Art und Weise, wie wir spielen, aber auch in der Art und Weise im Miteinander, die absolute Geschlossenheit zu haben, um mit St. Pauli irgendwann an die Tür zu klopfen. Das habe ich auch gemeint.
Wie soll ich nach einer 0:4-Niederlage kritisch mit meiner Mannschaft sein? Ich habe ehrlich gesagt, was ich sehe, und das war, dass Hannover am Mittwoch klar besser war von der ersten bis zur letzten Minute. Da geht es nicht darum, meine Mannschaft zu kritisieren.
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Dann kriege ich die Gegenfrage, ihr habt doch gegen Top-Mannschaften auch gute Spiele gemacht und gewonnen? Das stimmt, aber da waren die Leistungen auch top. Ob das gegen Bielefeld war, gegen Stuttgart oder den HSV, aber gegen Hannover war die Leistung nicht top. Wie so häufig in Auswärtsspielen.
Trulsen, Gellhaus & Co.: Über 200 Jahre Erfahrung bei St. Pauli
Und denken sie mal nicht, dass ich nicht kritisch bin mit mir selber. Ich habe auch Kollegen bei mir tagtäglich, die auch mitdenken und mitsprechen dürfen, dass wir das Richtige machen für die Mannschaft. Ich habe mehr als 200 Jahre Erfahrung in meinem Stab, mit André Trulsen, mit Markus Gellhaus, mit Hans Schrijver und meiner Person. Wir sind schon so lange dabei. Selbst wir setzen uns gerne in den Hintergrund und müssen nicht in den Vordergrund kommen.
Aber meine Person wird seit Sonntag, wo ich vielleicht persönlich einen Fehler gemacht habe gegenüber Henk Veerman. Aber ich habe am Tag danach mit Henk unter vier Augen gesprochen, warum ich so emotional war. Weil ich der festen Überzeugung war und das vollste Vertrauen in Henk Veerman hatte, dass wenn er zum Elfmeterpunkt geht, dass er den Ball rein macht. Das war meine Intention, dass ich das vollste Vertrauen in Henk Veerman hatte, dass er den Elfmeter wahrscheinlich reingemacht hätte. Nochmals hinterher, es gibt keine Garantie, aber was passiert, wenn Erzgebirge Aue in der zweiten Halbzeit das 2:2 macht, was möglich war? Dann wären wir alle sehr betrübt gewesen.
St. Pauli-Coach Luhukay: „Ich will doch nur das Beste“
Ich will doch nur das Beste und das, was am erfolgreichsten sein könnte für die Mannschaft und für St. Pauli, und ich stelle mich gerne hinten an, da habe ich überhaupt keine Probleme mit. Aber ich bin sehr ambitioniert, ich bin sehr angetrieben und mich nervt die Situation, dass wir auswärts nicht das umsetzen können, was wir uns vornehmen.
Wenn man vor der Winterpause und nach der Winterpause die Atmosphäre, die immer wieder positiver wurde und dass wir vor der Corona-Pause noch eine richtig gute Phase haben, und dann brauche ich nicht zu sagen, dass wir alle auswärts das Derby genossen haben, dann kriegen wird die Corona-Zeit. Dann fangen wir nach der Corona-Zeit an und dann gewinnen wir von drei Heimspielen wieder zwei: Nürnberg, gegen Heidenheim spielen wir unentschieden mit einer hundertprozentigen letzten Chance von James Lawrence, um auch gegen Heidenheim zu gewinnen, da spielen wir unentschieden und wir gewinnen gegen Erzgebirge Aue. Wir holen sieben Punkte aus drei Heimspielen und haben jetzt das letzte Heimspiel am Sonntag.
Jos Luhukay: „Ich bin überhaupt nicht ängstlich“
Ich bin überhaupt nicht ängstlich, ich mache mir überhaupt keine Sorgen, was die letzten Tage alles auf mich zukommt oder wie ich dargestellt werde, das liegt vielleicht auch zum Teil an mir, dass ich falsch interpretiert werde oder dass ich was sage und es wird direkt anders dargestellt, als ich das gemeint habe – das kann ich nicht ändern. Ich bin wie ich bin, aber ich bin vielleicht der größte Selbstkritiker von mir selbst, um mit St. Pauli so erfolgreich wie möglich zu sein. Ich bin kein Kritiker, der nur kritisiert und Dinge negativ sieht, weil glaubt mir, alles, was ich mit der Mannschaft bespreche, ist ehrlich, geradlinig.
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Und wenn man dann Veränderungen vornimmt, dann ist es so: Wer kann da mitgehen, wer will da mitgehen und wer kann da nicht mehr mitgehen und will da nicht mitgehen? Und das ist mit einer Veränderung der Spielphilosophie, der Professionalität und auch von gewissen Zielsetzungen und dann tagtäglich und Woche für Woche nicht nur den Erfolg in den Heimspielen zu haben, und wir vermissen unsere Fans unglaublich, und trotzdem gewinnen wir von drei Spielen zwei und spielen unentschieden, aber auch auswärts liegt für diese Mannschaft und für uns ein unglaublicher Antrieb, um das letzte Auswärtsspiel und natürlich auch am Sonntag im Heimspiel, aber auch in der letzten Woche das Spiel in Wehen, um zumindest dann das letzte Auswärtsspiel zu gewinnen.
Luhukay kündigt an: „Wir wollen am Sonntag gewinnen“
Wir können noch sechs Punkte holen, vor dem Spiel gegen Hannover konnten wir neun Punkte holen und da ändert sich nichts dran. Wir wollen am Sonntag gewinnen und wir wollen das letzte Spiel gewinnen und dann analysiert man das Jahr und die Saison. Da bin ich völlig offen und völlig geradlinig, aber ich verstehe nicht, dass man zwei richtig gute Phasen vor der Winterpause mit dem Abschluss Wehen und Bielefeld als Meister, dass man die gewinnt, dann spielt man vor der Corona-Phase ein fantastische Serie und alles war eigentlich total gut und positiv.
Plötzlich nach der Corona-Zeit, innerhalb von vier Tagen, richtet sich alles auf den Trainer und deswegen war meine Antwort am Mittwoch: Warum jetzt diese Diskussion aufbringen ohne mit wirklichen Fakten oder inhaltlichen Wahrnehmungen das so zu machen, vor zwei so wichtigen Spielen, die für St. Pauli und für die Mannschaft, meine Spieler das alles Entscheidende sind – und für mich persönlich auch.
Luhukay fragt: „Warum jetzt wieder auf den Trainer?“
Aber ich finde mich nicht wichtig, das müsst ihr nicht denken. Ich bin verantwortlich und ich tue alles für meine Mannschaft, meine Spieler und diesen Verein St. Pauli. Erst nach einer Saison analysiert man zusammen was gut war, was nicht gut war, was man ändern kann oder was man verändern muss, aber nicht zwei Spieltage vor Ende der Saison und dann mit den Giftpfeilen auf den Trainer schießen, das habe ich eigentlich gemeint und dann wird das wieder anders interpretiert. Ich habe gesagt, warum jetzt wieder auf den Trainer? Fünf Trainer vor mir, fünf Kollegen sind vor mir gegangen, aus welchen Gründen auch immer, aber ich glaube nicht, dass die alle fünf schlecht waren.
Dann wird das so dargestellt: Luhukay erwartet, dass die Medien die Mannschaft oder die Spieler kritisieren müssen. Absolut nicht! Absolut nicht! Ich will die Mannschaft motivieren, stimulieren, aber zu meiner Aufgabe als Fußballtrainer gehört auch, sie zu korrigieren, um besser zu werden, um stärker zu werden. Das ist seit dem ersten Tag, seit meinem Amtsantritt, bis heute so und das wird sich in den nächsten zwei Wochen nicht ändern. Ich bin nun mal der Hauptdarsteller, aber ich tue alles, um mit St. Pauli, mit der Mannschaft und meinen Spielern erfolgreich zu sein, dann bin ich der glücklichste Mensch.
Jos Luhukay: „Was die letzten Tage passiert, ist schade“
Was die letzten Tage passiert, ist schade, aber ich bin hier nicht, um mich zu rechtfertigen, aber ihr könnt es wieder anders interpretieren, dann ist es halt so, aber ich möchte schon ein bisschen mehr Deutlichkeit und Klarheit geben, wie die Situation ist und wie ich sie sehe und wie ich die beurteile, nochmals, mit der absolut nötigen Selbstkritik.
Das ist die etwas längere Antwort auf die Frage, warum wir gegen Hannover verloren haben. Was soll ich als Antwort geben? Soll ich auf die Mannschaft einschlagen? Nein, habe ich nicht gemacht. Nach dem Spiel nicht, das habe ich gestern nicht und das werde ich heute auch nicht machen, weil das Spiel können wir nicht mehr ändern und weil wir Sonntag ein Spiel haben. Das Spiel gegen Regensburg, das ist das Entscheidende. Und das wollen wir gewinnen.
Luhukay: „Es geht um Geschlossenheit, um Zusammenhalt auf dem Platz“
Mit welchem Personal, kann ich heute auch nicht sagen, die Frage braucht auch nicht gestellt zu werden. Kann der spielen und spielt der? Alle Spieler sind fit, außer Diamantakos, der ist noch fraglich. Alles andere werden wir Sonntag sehen, dann geht es um Geschlossenheit, dann geht es um Zusammenhalt auf dem Platz, 90 Minuten, wie wir das zu 99 Prozent in all unseren Heimspielen, obwohl wir die letzten drei Heimspiele ohne Fans spielen mussten, ohne die fantastische Atmosphäre und der Stimulanz, hat die Mannschaft Charakter gezeigt.
Gegen Nürnberg die zweite Halbzeit, gegen Heidenheim die zweite Halbzeit, wo wir es beide Halbzeiten schwer hatten, aber trotzdem Charakter und Mentalität hatten und gegen Erzgebirge Aue, was auch ein ganz spezielles Spiel war, gewinnen wir. Also warum muss ich hier sitzen und keinen Glauben haben oder Angst haben, dass wir Sonntag nicht gewinnen können mit so einer Bilanz, die wir haben?
St. Pauli-Trainer Jos Luhukay: „Ich bin total im Reinen“
Ich bin total im Reinen und lasse mich nicht verunsichern durch das, was in den letzten Tagen von euch reingetragen wird und das beeinflusst meine Mannschaft. Das kann meine Spieler beeinflussen, aber noch mehr unsere Fans. Weil unsere Fans meine Arbeit nicht tagtäglich beurteilen und sie beeinflusst werden durch diese Berichterstattung. So bin ich als Mensch und als Trainer 26 Jahre in Deutschland dabei. Da kann man nicht den Trainer so, wie soll ich es sagen – dann drücke ich mich mal ganz nett aus, niedermachen.
Ich weiß, was ich tagtäglich mache mit meiner Mannschaft, mit meinem Stab und das ist, was ich beeinflussen kann und wie ich interpretiert werde nach außen, das ist das Bild, was geschaffen wird, aber da sage ich, dann müsste man mich tagtäglich miterleben in der Zusammenarbeit mit meinem Stab, mit meinen Spielern, ob es dann wirklich so ist, wie es dargestellt wird.
Fünf Punkte Vorsprung für den Spieltag am Sonntag, wir haben alles in der eigenen Hand und wenn wir Sonntag gewinnen, dann bleiben wir sowieso in der Liga und haben unser Ziel für die Saison erreicht. Nach dem Spiel in Wehen sollte man in aller Ruhe die Saison zurückanalysieren, wie es üblich ist und was normal es. Dankeschön!“