Jahrelang in der Kritik: Jetzt bricht HSV-Stürmer Wood sein Schweigen
Er ist auf dem aufsteigenden Ast. Nach Jahren der Tristesse hat Bobby Wood beim HSV wieder Fuß gefasst, schwere Jahre liegen hinter dem US-Amerikaner. Das hinterließ Spuren. Jahrelang gab er keine Exklusiv-Interviews mehr und verschloss sich. Für die MOPO machte Wood nun eine Ausnahme und sprach offen wie nie über zermürbende Jahre und seinen Neuanfang beim HSV. Und auch zur Präsidentschaftswahl hat Wood eine klare Meinung.
MOPO: Mr. Wood, seit Tagen ist Ihr Land weltweit in aller Munde. Verraten Sie es uns bitte: Wie haben Sie die nach der Präsidentschaftswahl entstandenen Diskussionen aufgenommen, als Donald Trump die Auszählung stoppen und sich zum Sieger erklären wollte?
Bobby Wood:Ich muss ehrlich sagen, dass das auf Außenstehende sehr unprofessionell wirkt. Aber die vergangenen Jahre waren grundsätzlich schon sehr traurig für Amerika. Vielleicht ist es sogar ganz gut, dass jetzt alle mal sehen, was da eigentlich passiert. Auch die Leute, die die Augen davor verschließen wollten.
Donald Trump? HSV-Profi Wood hat klare Meinung zur Wahl in den USA
Klingt nicht so, als seien Sie ein großer Verehrer Donald Trumps.
Ganz sicher nicht. Ich selbst habe zwar nicht gewählt, weil die Wege aus dem Ausland recht kompliziert sind. Aber ich bin in Kalifornien gemeldet. Das ist seit Jahrzehnten demokratisch, so war es auch diesmal. Vielleicht müssen wir noch ein wenig bis zur endgültigen Verkündung warten, aber ich hoffe sehr, dass es jetzt in den USA zur Wende kommen wird.
Wie muss man sich so eine Wahlnacht im Hause Wood vorstellen? Schöne Getränke, Popcorn, die ganze Nacht den Fernseher an?
Nein, nein (lacht). Ich habe eine App, mit der ich mich über alles informiere. Aber ich habe viel und gut geschlafen.
HSV-Profi Bobby Wood lobt Trainer Daniel Thioune
Auf dem Platz läuft es für Sie zurzeit deutlich besser. Sie erhalten regelmäßig Einsatzzeiten und spielen beim HSV wieder eine Rolle. Was hat sich nach der für Sie langen Durststrecke verändert?
Mein Kopf ist klar, ich bin innerlich aufgeräumt. In der Vergangenheit gab es viele Höhen und Tiefen für mich. Aber ich habe mir vorgenommen, gewisse Fehler nicht mehr zu machen. Dazu kommt: Ich habe seit über einem Jahr eine Tochter – das verändert wirklich alles. So ein positives Erlebnis sorgt dafür, dass man sich insgesamt nicht so viele negative Gedanken macht.
Welche Rolle spielt Daniel Thioune? Ihr neuer Trainer hat stets betont, dass er sich nicht für das interessiert, was in Ihrer Vergangenheit passiert ist, sondern die aktuelle Leistung bewertet.
Er und sein Team wollen mir eine ehrliche Chance geben. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. Und es hilft mir, regelmäßig zu spielen. Man darf nicht vergessen, dass die letzten Jahre zum Teil sehr schwer für mich waren.
Wo lagen die Gründe dafür?
Für mich ist es sehr wichtig, dass ich Vertrauen spüre. Wenn das so ist, kann ich performen. In den vergangenen Jahren aber war das nicht immer der Fall. Es sind viele negative Dinge auf mich eingeprasselt, dann ist es schwer, befreit und gut zu spielen. Die Stimmung, die ich jetzt wahrnehme, ist eine völlig andere.
Bobby Wood über HSV-Krise: „Situation hat mich sehr belastet“
Kritiker werfen Ihnen vor, dass es sportlich Schritt für Schritt bergab ging, seit Sie 2017 einen neuen Millionenvertrag beim HSV unterschrieben haben.
Grundsätzlich ist ja in der gesamten Saison beim HSV vieles schief gelaufen, intern und außerhalb. Wir sind dann leider sogar abgestiegen. Die Unruhe war enorm, hat auch mich sehr beschäftigt, da war es nicht leicht, gut zu spielen. Glauben Sie mir: Auf so eine Saison für den Verein und für mich persönlich hätte ich gern verzichtet.
Dennoch: War der Druck, der auch durch den neuen Vertrag auf Ihnen lastete, zu groß?
Nein, das nicht. Aber insgesamt hat mich die Situation natürlich sehr belastet. Heute kann ich sagen: Ich habe gelernt, wie ich mit solchen Situationen besser umgehen kann.
Viele negative Schlagzeilen waren über Sie zu lesen. Wie steckt man das weg?
Mir hilft vielleicht, dass ich mittlerweile mit Schlagzeilen nicht mehr so große Probleme habe. Ich nehme sie wahr, aber das war es dann auch. Ich lasse das nicht mehr an mich ran.
HSV-Stürmer Bobby Wood: „Ich lebe für den Fußball“
Das klingt einfach. Aber wie setzt man es in der Realität um? Es gibt Sportler, die an Kritik zerbrochen sind.
Jeder Mensch ist anders. Es ist doch so: Ich lebe für den Fußball. Aber ich kann, wenn es gut läuft, wohl nur bis zu meinem 35. Lebensjahr spielen. Dessen bin ich mir total bewusst. Danach beginnt mein nächstes Leben. Und ich werde nicht zulassen, dass negative Schlagzeilen meinen Kopf, mein Leben zerstören. Ich habe einen tollen, engen Familienkreis. Für sie spielt es überhaupt keine Rolle, ob ich der schlechteste oder der beste Spieler auf dem Platz bin. Meine Familie ist immer da. Das ist wichtiger als eine schlechte Schlagzeile.
Haben Sie schon immer so gedacht?
Nein, ich musste mich erst dahin entwickeln. Ich bin ja bereits mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen. In meinen ersten Jahren bei 1860 München hat mich jede kleine Kritik total kaputt gemacht. Egal ob vom Trainer oder von Mitspielern, es war fürchterlich. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, wie man damit umgehen muss. Mein Fell ist ziemlich dick geworden (lacht).
Trotz Kritik an HSV-Profi Wood: „Aufgeben war nie eine Option“
Nach einer Leihsaison in Hannover kehrten Sie im Sommer 2019 zum HSV zurück. Warum lief es dann zunächst nicht wie gewünscht?
(Wood überlegt lange). Vor jeder Saison habe ich mir vorgenommen, es besser machen zu wollen. Auch letztes Jahr. Dass ich dann keine Rolle gespielt habe, hatte aus meiner Sicht nichts mit meiner Qualität zu tun. Ich konnte gut trainieren, Gas geben – aber egal, was ich gemacht habe: Ich war nicht im Kader. Manchmal ist Fußball eben auch ein Geschäft, da muss man drüber stehen. Und trotzdem: Aufgeben war nie eine Option.
Nun läuft es deutlich besser für Sie. Wie groß ist die Chance, dass die HSV-Fans nochmal den Bobby Wood sehen, der sie im Frühjahr 2017 begeisterte?
Der alte Bobby ist noch in mir drin (lacht). Das ist ja das Geile am Fußball, dass man sehr schnell auch die Wende schaffen kann. Ich bin 27 Jahre alt und habe noch sehr vieles vor mir. Ich will jetzt wieder Konstanz in meine Leistungen bekommen und meine Einsatzzeiten steigern. Das wäre der nächste Schritt. Dann sehen wir weiter.
Gegen Aue und St. Pauli waren Sie einem Tor schon sehr nahe.
Ja, das war knapp. Aber so ist das im Fußball – die Kleinigkeiten entscheiden, es geht nicht selten um Zentimeter, wie neulich in der Nachspielzeit gegen St.Pauli. Wenn ein Ball reingeht, verändert sich manchmal alles. Ich arbeite hart daran, dass der Ball nächstes Mal dort einschlägt, wo er hingehört.