Corona-Speck: Gestörtes Essverhalten in der Krise
Köln –
„Corona-Speck“ – eine weitere, zugegeben sehr persönliche Folge der andauernden Corona-Krise in Zeiten von Homeoffice und Kurzarbeit.
Langeweile, ständiges zu Hause sein, fehlende alltägliche Bewegung und ein ungeregelter Tagesablauf machen sich bei vielen auf der Waage bemerkbar. Aber warum essen wir jetzt eigentlich so viel oder so viel ungesünder?
Corona-Krise: Essen als Beschäftigung
„Zu Hause steht das Essen jederzeit zur Verfügung, und es gibt keine richtige Tagesstruktur“, erklärt die Kölner Psychotherapeutin Carola Ott im Gespräch mit uns. „Man nimmt gar nicht so richtig wahr, ob man Hunger hat oder nicht.“
Außerdem nutze man Essen auch als Beschäftigung – und eine Art Befriedigung, weiß die Expertin für Essstörungen. Dies sei besonders der Fall, wenn man unter Stress stehe. „Essen ist ein Versuch, den Stress zu regulieren“, so Ott.
Heißhunger hat immer Auslöser
Auch Heißhungerattacken treten bei vielen vermehrt auf, wenn sie gestresst oder gelangweilt sind. Die Expertin weiß – die Suche nach dem Auslöser ist der Schlüssel im Kampf gegen den Heißhunger.
„Es ist hilfreich, sich und seine Situation anzuerkennen und sich zu fragen, wofür diese Heißhungerattacke gerade hilfreich sein könnte.“ Hat man sich dem Heißhunger hingegeben, kommt oft das schlechte Gewissen.
„Das verstärkt nach einer Heißhungerattacke den Stress und die Angst, vom zu vielen Essen zuzunehmen und auf eine Heißhungerattacke folgt dann wieder das Hungern. So beginnt ein Teufelskreis.“ Um ihn zu durchbrechen, sollte man nach einer Heißhungerattacke trotzdem die nächsten Mahlzeiten regulär und im gewohnten Umfang zu sich nehmen, rät die Expertin.
Corona-Speck: Feste Essenszeiten sind wichtig
Bemerkt man in der Krise bei sich selbst ein gestörtes Essverhalten, sollte man „sich nicht dafür verurteilen, sondern mit einem wohlwollenden Blick auf sich schauen“, so die Therapeutin.
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Sie empfiehlt, feste Essenszeiten einzuplanen und sich Zeit für die einzelnen Mahlzeiten zu nehmen, auch wenn man viel zu Hause ist und ständig zwischendurch essen könnte.
Mangelnde Bewegung in der Corona-Krise
Um dem Corona-Speck den Kampf anzusagen gilt es aber auch, der mangelnder Bewegung entgegenzuwirken. Bewegung in unserem Alltag ist das A und O – egal ob während der Corona-Krise oder im normalen Alltag – das weiß wohl kaum einer besser als Personal-Trainer André Hermens aus Köln.
„Im Schnitt läuft man zwischen 5000 und 10.000 Schritte am Tag. Das sind ungefähr 300 bis 400 Kalorien, die wir nicht verbrennen, wenn wir diese Schritte eben nicht laufen“, erklärt der Experte. Zum Beispiel, weil wir im Homeoffice sind, nicht zur Bahn oder vom Parkplatz laufen müssen oder uns vom Schreibtisch mehrmals täglich im Büro zum Kopierer bewegen. Das macht sich dann sofort auch auf der Waage bemerkbar.
Corona-Speck: Mehr essen heißt auch mehr bewegen
Schlimmer wird das Ganze, wenn wir auch noch mehr essen als zuvor. Hermens: „Wer tatsächlich jetzt nicht mehr isst als sonst, der sollte sich täglich eine Stunde Zeit nehmen und spazieren, walken oder laufen gehen – als Ausgleich zum Bewegungsmangel im Homeoffice. Wenn man aber zu Hause mehr isst, reichen auch die 10.000 Schritte am Tag nicht mehr aus.“
Den inneren Schweinehund überwinden
Sport ist angesagt. Doch vielen fällt es schwer, selbst ständig den inneren Schweinehund zu überwinden, wenn zuhause die gemütliche Couch und Netflix locken.
„Da empfiehlt es sich, sich einen Trainer zu suchen oder sich mit jemandem zum Sport zu verabreden, dem man nicht so leicht absagen kann“, so der Experte.
Auch Online-Kurse sind eine gute Alternative. Der Vorteil: Via Webcam kann der Trainer auch Korrekturen bei den Übungen vornehmen. Will man nicht gesehen werden, kann man die Kamera aber auch ausschalten.
Top-Übungen fürs Home-Workout
Für alle, die lieber alleine trainieren, hat er auch ein paar Tipps auf Lager. Seine Top-Übungen fürs Home-Workout sind „Burpees“ – eine Mischung aus Kniebeuge, Liegestütz und Strecksprung, anstrengend für den ganzen Körper und Kniebeugen für Beine und Po. Die Beinmuskeln sind große Muskeln und wenn man diese beansprucht, verbrennt man mehr Energie.
„Ausfallschritte kann man auch gut daheim machen und Planks sind eine schöne Ganzkörperübung.“
Vollwertige Ernährung ist wichtig
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. hat zehn Regeln für eine vollwertige Ernährung entwickelt:
Lebensmittelvielfalt genießen
Kein Lebensmittel enthält alle nötigen Nährstoffe
Gemüse und Obst – nimm’ „5 am Tag“
Versorgen uns mit Nähr- und Ballaststoffen und tragen zur Sättigung bei
Vollkornprodukte wählen
Sie sättigen länger und haben mehr Nährstoffe als Weißmehlprodukte
Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen
Milch und Milchprodukte täglich, Fleisch nicht mehr als 300 bis 600 Gramm pro Woche
Gesundheitsfördernde Fette nutzen
z.B. pflanzliche Öle liefern lebensnotwendige Fettsäuren und Vitamin E
Zucker und Salz einsparen
Viel Wasser trinken
Lebensmittel schonend zubereiten
Achtsam essen und genießen
fördert das Sättigungsempfinden
Aufs Gewicht achten und sich viel bewegen