„Anköteln“, „Barmbeker Latein“: Witzig und kreativ: So spricht man nur in Hamburg
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Was die Stadt Hamburg so unverwechselbar macht? Vor allem die tolle Lage an Alster, Elbe und Bille. Und: ihre Sprache! Ausgerechnet ein Bremer, der Historiker Dr. Daniel Tilgner, hat jetzt ein Lexikon der Hamburger Begriffe herausgebracht. „So snackt Hamburg“ heißt der Band – und der ist nicht nur für Quiddjes (Zugereiste) interessant, sondern auch für waschechte Hanseaten. Die MOPO stellt eine Auswahl vor. Heute Teil 1: Hamburg von A bis E.
Aalweber: Der „Aalweber“, eigentlich ein Bürstenbinder namens Weber, bot in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Fisch u. a. abends in Hamburger Kneipen aus einem Bauchladen an. Er starb 1854 im Armenhaus. Rund 100 Jahre später zog Karl-Wilhelm Schreiber durch die Stadt und wurde nach seinem Ausruf „Aale Aale“ genannt. Er starb 1970 in Farmsen. Die dritte Aalverkäufer-Legende ist noch am Leben: Dieter Bruhn (*1939), bekannt als „Aale-Dieter“. Ende der 1950er Jahre begann er auf dem Fischmarkt seine von legendären Sprüchen begleitete Überzeugungsarbeit an der Kundschaft: „Wills ma probian? Raubtierfütterung! – Oh, is dassssss dein Mann? – Na, mein herzliches Beileid!“
anköteln: bedeutet „sich anbiedern“ oder „wieder anbiedern“, insbesondere wenn es vorher einen Streit gegeben hat. „Nun kommt er wieder angekötelt!“
antüdeln: Wer sich „antüdelt“, zieht sich an. Wer „angetüdelt“ ist, der ist demnach fertig angekleidet. Aber das Ankleiden, z. B. für eine Party, kann auch schon einige Zeit her sein und der oder die Betreffende sich im Laufe des Abends „einen angetüdelt“ haben, nämlich einen Schwips.
abbuddeln tut, wer (oder was) nicht mehr kann: Ein Schiff schlägt Leck und buddelt ab, ein Mensch, wenn er sich zu viel vorgenommen hat oder sein Glück und Einsatz am Spieltisch verbraucht sind. Trinkt er dann auch noch zu viel, geschieht ihm das Abbuddeln gleich ein zweites Mal den verdormnen Ahmd und denkt er sich am Morgen: Häddich man den Korken auffe Flasche gelassn.
ABC-Straße wurde im 17. Jahrhundert der Name einer spätestens 1615 bis 1623 zunächst nur an ihrer Südseite bebauten Straße in der Neustadt. Sie erhielt ihren Namen, weil die ihr entlang erbauten Häuser dem Alphabet folgend mit Buchstaben bezeichnet wurden.
achter(n) ist plattdeutsch, heißt „hinten“ oder „hinter“. Das Wort taucht in vielen Straßennamen auf z. B. in Achter de Wisch (Wiese) in Neuengamme, in Achterkamp (Feld) in Rönneburg oder in Achtern Hollerbusch (Holunderbusch) in Sasel.
all to nah: „All zu nah!“, dachten sich die Hamburger lange Zeit, liegt doch dieser kleine, aber lästige Handelskonkurrent bei Hamburg. Der Fußweg zur Grenze der „Altona“ genannten Fischer- und Handwerkersiedlung, die 1664 zur Stadt erhoben wurde, dauerte vom Millerntor aus gerade eine Viertelstunde Richtung Westen.
Bambuse wird der Taugenichts genannt, er ist ein schlechter Arbeiter und Kerl, mitunter auch gefährlich, sodass für ihn auch das schöne alte Wort mit dem gefährlichen Inhalt „Strolch“ zutreffen kann.
Bangbüx wird ein Angsthase („Bange“ bedeutet „Angst“) genannt, obwohl das plattdeutsche Wort eigentlich die Übersetzung von „Angsthose“ ist.
Barmbeker Latein lautet die scherzhafte Bezeichnung der „Ketelkloppersprook“. Der Lärm beim Abklopfen des Kalkbesatzes in den Kesseln der Dampfschiffe erschwerte die Kommunikation derart, dass sich ein eigenständiger Sprachcode entwickelte, der die Artikulation des Plattdeutschen melodischer machte und damit seine Hörbarkeit erleichterte. Die zentrale Regel dabei war, dass jedes Wort zur besseren Verständigung mit einem Vokal begann, wofür vorhandene Anfangskonsonanten ans Wort- oder Silbenende gestellt wurden, und ihnen zusätzlich ein „i“ folgte. Urni Ahnbi-ofhi ervi-ansti-endi. Ochni ichtni ebiiffengri? – äh, sorry: Noch nicht begriffen? Dann hilft nur Weiterrätseln … Mit der Verdrängung der Dampfmaschine durch den Schiffsdiesel ist auch das Barmbeker Latein verdrängt worden.
basch steht auf Hochdeutsch für „derb“ oder auch „scharf“, z. B. kann eine Speise „basch“ gewürzt sein. Das Wort dient jedoch vor allem zur Bezeichnung von etwas Rüpelhaftem. Derartig veranlagt zu sein, war der Ruf der Barmbeker Jugend (Barmbek basch).
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Baumwall heißt der Straßenzug, der die Straßen Kajen und Vorsetzen verbindet. Der Namensteil „Baum-“ erinnert daran, dass dort, am Niederbaum, durch miteinander verkettete Baumstämme bis 1852 nachts die Ausfahrt des Binnenhafens gegen widerrechtliches Ein- oder Auslaufen von Schiffen gesichert wurde. Das östliche Pendant lag an der Ausfahrt des Oberhafens. Auch an Land gab es zahlreiche Bäume – im Sinne von Schlagbäumen –, nämlich dort, wo Abgaben erhoben oder Kontrollen vorgenommen wurden. Sie haben sich in Straßennamen wie Rotherbaum oder Winser Baum erhalten. Der Namensteil „-wall“ weist darauf hin, dass der Ort im militärischen Befestigungswall eine Rolle spielte, der Hamburg bis Anfang des 19. Jahrhunderts umgab.
begöschen ist der Versuch, jemanden durch begütigendes Zureden in gute Stimmung zu versetzen. Wenn kleine Kinder z. B. nach einem Sturz begöscht werden, werden sie mit guten Reden getröstet und beruhigt.
Caffamacherreihe heißt eine Straße in der im 17. Jahrhundert entstandenen Neustadt. Namengebend waren später hier ansässige Samtweber, die „Kaff-Haarmaker“. Das plattdeutsche Wort „Kaff“ steht für Spreu oder Kleingeschnittenes.
Cremon heißt eine Straße im heutigen Stadtteil Hamburg-Altstadt. Sie liegt auf der gleichnamigen ehemaligen Marschinsel zwischen Nikolaifleet und Binnenhafen. Die Insel wurde Ende des 12. Jahrhunderts den ersten Siedlern der Neustadt als Weideland zugewiesen. Diese legten einen Ringdeich an, um sich vor Hochwasser zu schützen.
Dammich noch mol ist die plattdeutsche Version von „Verdammt noch mal“. Wie die mundartlichen Kraftausdrücke im Allgemeinen klingt auch dieser Ausspruch sehr viel weniger anstößig und somit unaufdringlicher als sein hochdeutsches Pendant – ohne dabei weniger überzeugend zu wirken, dammi nommol!
direkt ist in Hamburg oft anstelle der hochdeutschen Worte „glatt“ oder „geradezu“ zu hören: Dascha direkt ’n Skandol!
ditschen oder „detschen“ nennen es Hamburger Kinder, wenn sie ihre Marmeln werfen (also, falls es die überhaupt noch gibt und es ihnen Ältere gezeigt haben). Der „Ditsch“ ist der Treffer.
Dösbaddel wird genannt, wer sich dumm oder ungeschickt verhält. „Dösig“ ist z. B. der, der nicht aufpasst und vor sich hin träumt. „Du Dösbaddel“ muss jedoch nicht grundsätzlich eine Beleidigung bedeuten und kann auch als freundschaftliche Aufmunterung ausgesprochen werden.
Dröhnbüdel ist der, der dröhnt, der also besonders langsam oder umständlich spricht und so mit der Vermittlung der eigentlichen Aussage seines Geredes so lange auf sich warten lässt, dass man kaum noch weiß, wohin man gucken soll, und allmählich der eigene Kopf zu dröhnen beginnt.
Eidelstedter Düfte Auch wegen seiner verkehrsgünstigen Lage an der 1844 eröffneten Bahnstrecke Hamburg–Kiel entwickelte sich Eidelstedt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum aufstrebenden Industriestandort. Tabak, Margarine, Fischmehl, chemische Produkte und vieles mehr wurden verarbeitet. Die mit den Erfolgen ebenfalls zu verzeichnenden Umweltbelastungen entwickelten sich als „Eidelstedter Düfte“ zum geflügelten Wort.
Elbnatter lautet die gehässige Bezeichnung für eine Angehörige aus den Kreisen der „Upper -Ten“, namentlich aus den Elbvororten.
Elbsegler ist der Name einer in der Küstenregion einst sehr verbreiteten dunkelblauen Mütze. Dabei sind jedoch Gestalt und bestimmte Materialien genau festgelegt. Die Helgoländer „Lotsenmütze“, die Altbundeskanzler Helmut Schmidt bekannt machte, ist höher als der Elbsegler, hat einen Zierbesatz und eine Kordel über dem Schirm.
Plattdeutsches Wörterbuch: Hier finden Sie Teil 2 (F bis K) und Teil 3 (L bis O) der Serie.