Plattdeutsches Wörterbuch: „Lord von Barmbeck” — der Gentleman-Verbrecher
Was die Stadt Hamburg so unverwechselbar macht? Vor allem die tolle Lage an Alster, Elbe und Bille. Und: ihre Sprache! Ausgerechnet ein Bremer, der Historiker Dr. Daniel Tilgner, hat jetzt ein Lexikon der Hamburger Begriffe herausgebracht. „So snackt Hamburg” heißt der Band – und der ist nicht nur für Quiddjes (Zugereiste) interessant, sondern auch für waschechte Hanseaten. Die MOPO stellt eine Auswahl der lustigsten Begriffe vor. Heute Teil 3: Hamburg von K bis O.
Kirchspiele hießen früher die einzelnen Teile des nach Kirchengemeinden aufgeteilten Stadtgebiets. An einem überlieferten Spruch lässt sich eine Grundtendenz der Sozialstruktur im Hamburg des 17./18. Jahrhunderts nachempfinden: St. Petri de Rieken (die Reichen), St. Nikolai desglieken (desgleichen), St. Katharinen de sturen (die Stolzen, Vornehmen), St. Jacobi de Buren (die Bauern), St. Michaelis de Armen (die Armen), dat mag woll Gott erbarmen.
„Lord von Barmbeck” — der Gentleman-Verbrecher
Klamüstern oder klamüsern ist Plattdeutsch und heißt so viel wie „über etwas nachdenken” oder „grübeln”; wer jedoch „was ausklamüstert”, heckt etwas aus und schmiedet Pläne.
Klein Jerusalem war der volkstümliche Name für das Grindelviertel. Hier lebte bis zur NS-Zeit ein Großteil der fast 17 000 Hamburger Juden.
Koberer werden die Portiers vor den Türen von Nachtklubs auf dem Kiez genannt. Mit Verheißungen nackter Tatsachen versuchen sie, Kundschaft in die Etablissements zu locken.
„So snackt Hamburg“ – Lexikon der Hamburger Begriffe
Leinpfad lautet die Bezeichnung für einen neben Wasserwegen verlaufenden Treidelweg oder -pfad. Von ihm aus können mit Menschen- oder Pferdekraft Boote und selbst kleinere Schiffe gezogen werden.
Leuwagen bezeichnet in Hamburg eine hartborstige Scheuerbürste mit langem Stiel. Zum Reinigen wasserunempfindlicher Fußböden wird darum ein Feudel gewickelt, und die Arbeit kann bequem im Stehen erledigt werden.
Der „Lord von Barmbeck” war Hamburgs berühmtester Krimineller und erhielt seinen Spitznamen wegen seiner stets eleganten Kleidung. Er hieß mit richtigem Namen Julius Adolf Petersen (1882-1933) und war Anführer der „Barmbecker Verbrechergesellschaft”. Im Gefängnis gestand er 1922 mehr als 50 Einbrüche und Räubereien. 1933 erhängte er sich in seiner Zelle. Luden werden auch in Hamburgs Rotlichtmilieu die Zuhälter genannt. In früheren Zeiten sprachen die Prostituierten von ihrem Louis (Luui), was aber auch die Bezeichnung für einen männlichen Kollegen sein konnte.
Lütt un Lütt – ein Pils und ein Korn
Lütt un Lütt heißt auf Hochdeutsch „Klein und Klein”. Wer an einem Hamburger Kneipentresen mit „Lütt un Lütt” bestellt, möchte ’n Köm un ‘n Beer trinken, also einen Korn sowie ein helles Pils.
Man tau! wird in Hamburg eher wie „Man too” oder „Man tou” gesprochen und ist wohl die plattdeutsche Kurzfassung des Schnacks, der im Wesentlichen dem hochdeutsch-hamburgischen „Denn man zu” entspricht.
Mang oder mittenmang heißt „zwischen” oder „unter”. Im Englischen ist es als „among” anzutreffen.
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Missingsch war ursprünglich eine auch in Hamburg ganz typisch klingende Vermischung von Hochdeutsch mit Plattdeutsch, die im 19. und bis ins 20. Jahrhundert vor allem in den Hafen- und Arbeiterstadtteilen zu hören war. Sie will eigentlich hochdeutsch klingen, verrät jedoch durch Wortwahl, Aussprache und Satzbau den im Plattdeutschen beheimateten Sprecher.
Mottenburg ist ein im 19. Jahrhundert aufgekommener volkstümlicher Name für Ottensen. Die bekanntere Herleitungsvariante ist der Vergleich der von Schwindsucht (= Tuberkulose) zerstörten Lungen der Ottenser Glasarbeiter und Zigarrendreher mit Mottenfraß. Die Männer hatten unter extrem schlechten Arbeitsbedingungen zu leiden, und besonders der feine Glasstaub wirkte sich fatal auf die Gesundheit der Schleifer aus: „Dat’s feleicht ne Orbeit – krichs’ die Motten von!”
Mucksch ist auch in Hamburg ein geläufiger Ausdruck für „schlecht gelaunt sein”.
Mühlstein wird inoffiziell die traditionelle Halskrause der Pastoren im alten Kirchenkreis Alt-Hamburg genannt. Die Mühlsteine waren auch Teil der bis 1919 bei offiziellen Anlässen getragenen schwarzen Amtstracht der Mitglieder des Senats. Sie war dem historischen spanisch-niederländischen Vorbild nachempfunden und bestand ferner aus einem mit Astrachanpelz besetzten geschlossenen Umhang, Kniehosen, Schnallenschuhen und dem schweren, interessanterweise gar nicht als Kopfbedeckung zu nutzenden und daher unter dem Arm getragenen Hut.
Nüdelkastenlüüd ist die plattdeutsche Bezeichnung für Leierkastenleute.
Ökelname – ein nicht freundlich gemeinter Spitzname
Nüdschanix: Ganz gleich ob seufzend, aufmunternd, leicht trotzig oder alles drei zusammen im Sinne eines herzhaften „schietegol”.
Ökelname ist ein Spitz- oder Neckname, manchmal nicht sehr freundlich. Im vormotorisierten Hamburg waren vor allem die Droschkenkutscher fleißige Ökelnamendichter: Sie nannten sich z. B. „Fiete Schneidig”, „Chinesenmoppel”, „Hein Punschmuul” oder „Schimmelreiter”.
Onkel Pö ist der Name einer legendären Hamburger Musikkneipe. Sie eröffnete 1968 zunächst am Mittelweg in Pöseldorf und 1971 erneut am Eppendorfer Weg/Ecke Lehmweg, dann als „Onkel Pö’s Carnegie Hall”. Durch sein unkonventionelles, musikalisch breit gemischtes Programm wurde das „Pö” weit über Hamburg hinaus bekannt.
Plattdeutsches Wörterbuch: Hier finden Sie Teil 1 (A bis E) und Teil 2 (F bis K) der Serie.