„Nur Verlierer“: Verband kritisiert autofreien Jungfernstieg mit drastischen Worten
Neustadt –
Mit dieser Maßnahme will der Senat die Attraktivität der Hamburger Innenstadt steigern. Seit 16. Oktober sind Autos auf dem Jungfernstieg tabu, lediglich Busse, Taxen und Radfahrer haben dort freie Fahrt. Doch seit Beginn der Umgestaltung des Prachtboulevards gibt es Kritik. Nun hat sich auch der „Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Nord“ zu Wort gemeldet – und wählt drastische Worte.
Einzig für die Radfahrer habe es seit dem Umbau eine Verbesserung gegeben, heißt es in einer Verbandsmitteilung. „Ansonsten sehen wir nur Verlierer“, so der Verbandsvorsitzende Volker Tschirch.
Die provisorische Verkehrslenkung mit rot-weißen Barken sei optisch nicht ansprechend, Fußgänger könnten die Straße noch nicht wesentlich besser queren und die Aufenthaltsqualität müsse noch spürbar gesteigert werden.
Das Auto-Verbot hat zudem Auswirkungen auf die Kundenzahlen, so haben sich Händler kürzlich in der MOPO beschwert. Sie betrachteten die Maßnahme gar als „Sargnagel“ für die Innenstadt. Auch der Verband, in dem große und mittlere Fachgeschäfte sowie Filialunternehmen organisiert sind, hat negative Beobachtungen gemacht.
Die Frequenzzahlen im Neuen Wall haben sich seit dem Sommer halbiert, so der Verbandsvorsitzende. Händler klagten über ausbleibende Kundschaft, Kunden über ein unzureichendes Verkehrsleitsystem.
„Es braucht ein Verkehrskonzept für die angrenzenden Straßen, das auch für diejenigen mitdenkt, die mit dem Auto kommen. Der Einzelhandel in der City kann auf diese Kundschaft gerade jetzt nicht verzichten“, so Volker Tschirch. Sein Fazit zur Umgestaltung: „Dieser politische Schnellschuss hat diffuse Wirkungstreffer und es muss nun schnell nachgebessert werden“.
Jungfernstieg ohne Autos: „Politischer Schnellschuss“
Die Verkehrsbehörde weist die Vorwürfe zurück. Durch die veränderte Verkehrsführung sei der Verkehr dort bislang um 75 Prozent reduziert worden – mit steigender Tendenz.
„Vom reduzierten Kfz-Verkehr profitieren alle Fußgängerinnen und Fußgänger sowie die Radfahrenden – sowohl durch eine höhere Verkehrssicherheit als auch durch eine verbesserte Luftqualität und geringere Lärmbelästigung. All das bewirkt schon heute eine deutlich höhere Aufenthaltsqualität und kommt somit allen Menschen auf dem Jungfernstieg zu Gute“, sagt Dennis Heinert, Sprecher der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende.
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Die zurückgegangenen Besucherzahlen führt die Behörde auf die Folgen der Corona-Pandemie zurück – auf die geschlossene Gastronomie sowie die ausbleibenden Touristen. Auch in anderen Großstädten seien die Frequenzzahlen in den Innenstädten zurückgegangen.
„Mit der Attraktivitätssteigerung des Jungfernstiegs und des gesamten Innenstadt-Bereichs wollen wir dazu beitragen, die Anziehungskraft und damit auch die Frequenzzahlen nach der Corona-Pandemie wieder deutlich zu erhöhen“, sagt der Behördensprecher.
Im Video: Das sind die Pläne für den autofreien Jungfernstieg
Nicht nur wegen der ausbleibenden Kunden gibt es Kritik. Erst kürzlich hat es Spott über die hölzernen Blumenkästen auf der neu gestalteten Mittelinsel gegeben. „Das entspricht nicht der Ästhetik des Jungfernstiegs“, so ein CDU-Bezirkspolitiker zur MOPO.
Ein weiteres Ärgernis am Jungfernstieg: Immer wieder gibt es Autofahrer, die das Fahrverbot einfach ignorieren. Die Polizei führt dort regelmäßig Kontrollen durch. Auch am Montagmittag stoppten Beamte Autofahrer, die dort unterwegs waren.
Wie geht es nun mit dem autofreien Jungfernstieg weiter? Die erste Phase des Umbaus ist mittlerweile beendet. Der Radweg wurde zurück auf die Straße verlegt, die Mittelinsel mit Blumenkübeln angelegt, die Ampeln ausgeschaltet. Weiter geht es jetzt erst im Frühjahr 2022, um das Weihnachtsgeschäft des kommenden Jahres nicht zu gefährden. Bis dahin will die Stadt weitere Rückmeldungen sammeln und in die Planung einfließen lassen. Außerdem gibt es ein Online-Beteiligungsverfahren.
Weihnachtsbeleuchtung am Jungfernstieg eingeschaltet
Am frühen Montagabend ging am Jungfernstieg ein Licht auf: Die Weihnachtsbeleuchtung wird offiziell eingeschaltet. „Ich finde es großartig, dass dieser zentrale Platz in Hamburg durch die festliche Beleuchtung pünktlich zur Weihnachtszeit im neuen Glanz erstrahlt“, freute sich Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende.