Corona-Wendepunkt: Wie schlägt sich Deutschland im weltweiten Impfrennen?
Seit Ende Dezember wird in Deutschland mit dem Impfstoff des Herstellers Biontech gegen das Coronavirus geimpft. Doch der holprige Start sorgt für Kritik. Aber wie schlagen wir uns wirklich im internationalen Impfrennen? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie viele Menschen wurden in Deutschland geimpft?
Laut RKI wurden bisher mehr als 165.500 Personen mit der ersten Dosis geimpft (Stand: 1. Januar). 2759 davon waren es in Hamburg. Damit liegt die Hansestadt mit umgerechnet 0,15 Impfdosen pro 100 Einwohner unter dem bundesweiten Durchschnitt von 0,20. Um gegen den Ausbruch der Krankheit Covid-19 geschützt zu sein, muss man noch ein zweites Mal geimpft werden.
Wer liegt weltweit im Impfrennen vorn?
Weltweit wurden 9,9 Millionen Impfdosen verabreicht (Quelle: Our World in Data). Dabei liegt Israel prozentual vorn: Mehr als zehn Prozent der neun Millionen Einwohner des Landes sind schon geimpft. Bis Ende Januar soll Israel zwischen 4 und 5,6 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs bekommen haben. In Deutschland sind es in dem Zeitraum nur drei bis vier Millionen – und das bei einer Bevölkerung von über 80 Millionen Menschen. Die meisten Länder nutzten den Biontech-Impfstoff, die USA und Kanada auch den von Moderna. In Großbritannien wurde kürzlich das Vakzin des Herstellers AstraZeneca mit einer Notfallzulassung genehmigt.
Warum ist Deutschland langsamer als Israel, Großbritannien oder die USA?
Deutschland hat die Impfstoffe über die EU bestellt und auf eine Notfallzulassung verzichtet. Das hat Zeit gekostet: Die Mitgliedsstaaten mussten sich einigen, auch die Zulassung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA dauerte. Der Vorteil: Bessere Konditionen für die Impfstoffe und eine Zulassung auf Basis von mehr Forschungsergebnissen.
Wie viel Impfstoff bekommt Deutschland?
Im November hat die EU bei verschiedenen Herstellern Impfstoffe bestellt, außerdem hat Deutschland auf nationaler Ebene nachgeordert. Doch noch kann nur der Biontech-Impfstoff verwendet werden: Das Bundesgesundheitsministerium rechnet im ersten Quartal 2021 mit bis zu 13 Millionen Impfdosen. Insgesamt soll Deutschland 2021 85 Millionen Dosen von Biontech und rund 50 Millionen von Moderna erhalten. So könne jedem, der geimpft werden will, ein Impfangebot gemacht werden, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Das könnte Sie auch interessieren: Die MOPO beim Testdurchlauf: So läuft die Corona-Impfung in den Messehallen ab
Was sind Vor- und Nachteile der EU-Strategie?
Im „Spiegel“-Interview wunderte sich Biontech-Mitbegründer Ugur Sahin über die Einkaufspolitik der EU, die im November nur 300 Millionen Impfdosen bestellte. Doch die Strategie, auf mehrere Hersteller zu setzen, scheint sinnvoll: So werden Abhängigkeiten vermieden. Lieferschwierigkeiten bei einzelnen Herstellern können ausgeglichen werden. Doch bisher ist nur das Biontech-Vakzin zugelassen, andere Hersteller können noch nicht liefern. Wenn diese nachziehen, kann in der EU schneller geimpft werden.
Kann man nicht einfach mehr Impfstoff herstellen?
Mit seinem Partner Pfizer stellt Biontech in den nächsten Monaten für 50 Nationen mehr als eine Milliarde Impfdosen her. Trotzdem werden Forderungen laut, die Impfstoffproduktion zu erhöhen. Doch so leicht ist das nicht: „Es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten“, sagt Sahin im „Spiegel“.
Wie klappt die Logistik?
Über die nächsten Monate sollen Impfungen für 60 bis 70 Prozent der Deutschen möglich gemacht werden, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Der Impfstoff wird über die Bundesregierung an die Länder verteilt – eine logistische Herausforderung, da der Biontech-Impfstoff bei auf minus 70 Grad gelagert werden muss. Ob lange Wartezeiten in der Telefonhotline oder Unsicherheiten beim Lieferzeitpunkt: Es gab Anlaufschwierigkeiten. Spahn bat für „etwas föderales Durcheinander“ zu Beginn um Verständnis. Insgesamt sei die „größte Impfkampagne in der Geschichte Deutschlands erfolgreich angelaufen.
Bekommt Deutschland genügend Impfstoff?
Momentan herrsche weltweit eine Impfstoff-Knappheit, so Spahn, der die deutsche Bevölkerung um Geduld bat. Deutschland werde ausreichend Impfstoff bekommen, so Sahin im „Spiegel“. Er glaube, in den kommenden Monaten die fragilsten Gruppen gut abdecken können, vor allem die Ältesten. Auch Heiner Garg, Gesundheitsminister von Schleswig-Holstein glaubt an eine Durchimpfung bis Herbst in seinem Bundesland.
Das könnte Sie auch interessieren: Debatte über Privilegien: Bekommen Geimpfte bald Sonderrechte?
Wie lange dauert der Lockdown noch?
Die Zahlen sind weiterhin hoch: 22.924 Corona-Neuinfektionen und 553 Todesfälle meldete das RKI am Freitag, dabei wurden über die Feiertage weniger Menschen getestet. Eine Verlängerung des Lockdowns ist wahrscheinlich, in den nächsten Tagen werden die Effekte der Weihnachtstage zu sehen sein, glaubt der Berliner Amtsarzt Patrick Larscheid. Auch sei zu vermuten, dass die Mobilität im zweiten Lockdown nicht so stark nachgelassen habe wie im ersten im Frühjahr. Larscheid hält einen Lockdown bis zum Frühjahr für nötig. Inwieweit die Impfung Übertragungen des Virus verhindert, bleibt abzuwarten.