• Wie viele Tausend andere Senioren ist Peggy Parnass derzeit völlig isoliert. Seit Herbst lebt sie in einer Senioreneinrichtung in St. Georg.
  • Foto: Olaf Wunder

Coronavirus in Hamburg: Appell von Peggy Parnass: „Vergesst die Senioren nicht!“

Die Enkel sehen, die Kinder in den Arm nehmen, gemeinsam Kaffee trinken oder einen Spaziergang um die Alster unternehmen – all das ist in Zeiten von Corona nicht möglich. Zigtausenden betagten Leuten geht es so – ob sie nun im Heim leben oder noch in den eigenen vier Wänden. Eine prominente Hamburger Seniorin möchte jetzt die Gelegenheit nutzen und mal danke sagen. „Und zwar dafür, dass mich meine Freunde trotzdem nicht im Stich lassen“, so Peggy Parnass.

Sie ist jetzt 92 Jahre alt, war in den 70er und 80er Jahren eine bekannte Schauspielerin, Buchautorin, außerdem eine Ikone der linken Boheme, Freundin von Ulrike Meinhof, Galionsfigur der Schwulen-, Anti-Atom- und Friedensbewegung. Vor allem als Journalistin hat sie sich einen Namen gemacht, sie war vielleicht die bundesdeutsche Gerichtsreporterin schlechthin. Nach einem Sturz im Herbst 2019 lebt sie in einem Altenstift in St. Georg, nur einen Steinwurf von ihrer alten Wohnung entfernt – und ist damit eine der vielen völlig isolierten Senioren.

Coronavirus in Hamburg: Appell der Autorin Peggy Parnass

Die Sache mit Corona – „scheußlich, ein Albtraum“, sagt sie. Zumal niemand weiß, wann dieser Zustand beendet sein wird. Trotzdem wolle sie nicht klagen. Sie habe das große Glück, so wunderbare Freunde zu haben, auf die man sich verlassen kann. Alle seien schon bei ihr gewesen – als das noch möglich war. Der Maler und Skulpteur Ulrich Rölfing, die „zauberhafte“ Theaterintendantin Isabella Vértes-Schütter, ihre hochbegabte Künstlerfreundin Tita do Rêgo Silva, Leander Sukov, Schriftsteller und Vizepräsident vom Pen-Zentrum Deutschland. Der reiste sogar extra aus Bayern an!

Und nun? Klopft niemand mehr an die Tür, außer der Schwester. Aber es tröstet Peggy Parnass, dass trotzdem alle an sie denken. „Genau genommen werde ich täglich reich beschenkt. Ich bekomme jeden Morgen Zeitungen von der Krimi-Autorin Doris Gercke („Bella Block“) und ihrem Mann Lothar. Mein lieber Freund und Kollege Rainer Neumann bringt mir frisches Obst und meine geliebte MOPO. Von meinem Freund Karl-Heinz Ramke gibt’s Leckereien und gute Gespräche. Aber die eben nur am Telefon. „Schlimm für mich, ja sehr schlimm ist, dass ich keinen meiner Freunde anfassen, sehen kann. Das macht mich traurig. Für mich sind Freunde lebenswichtig.“

Peggy Parnass bittet: „Vergesst die Senioren nicht!“ 

Nahezu täglich telefoniert Peggy Parnass mit ihrem „kleinen Bruder Gady“ und seiner Frau Slomith, die im Kibbuz En HaChoresch leben – und hat erfahren, dass die Lage in Israel nicht weniger bedrohlich ist. „Das Gleiche in Grün. Man darf sich nicht berühren, sehen nur von Weitem. Furchtbar.“

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Gerade hat Peggy Parnass Post von der Senatskanzlei erhalten: Das zweite Mal nun schon wurde das Senatsfrühstück, zu dem sie gemeinsam mit der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano eingeladen war, auf unbestimmte Zeit verschoben – wegen Corona. Beide Frauen sollen bei diesem Senatsfrühstück mit der Ehrenmünze in Gold des Senats und der Stadt Hamburg ausgezeichnet werden. „Die Verschiebung ist zwar schade“, sagt Peggy Parnass. „Aber zurzeit gibt es wirklich Wichtigeres, als Medaillen zu verleihen. Hoffentlich geht die Welt gestärkt aus dieser Corona-Krise hervor.“ Und an die jungen Leute appelliert sie: „Vergesst uns Senioren nicht!“

Die Alten sind die eigentlichen Leidtragenden der Corona-Krise. Deshalb widmen wir in der kommenden Woche den MOPO-Corona-Soli der Initiative „Oll Inklusiv“. Das ist eine gemeinnützige Initiative, die das Ziel hat, Einsamkeit und Altersarmut mit Austausch und Miteinander zu begegnen. So dass Spaß und Leichtigkeit Einzug halten können. Nähere Infos: www.oll-inklusiv.de

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