Der Streit um „Goofy“: Schlachten oder schützen? Das sagen die Grünen
Volksdorf –
In Hamburg ist ein erbitterter Streit ausgebrochen – der Grund: Stier „Goofy“. Tierschützer kämpfen um das Leben des Tieres, und die zehnte Klasse des Waldörfer Gymnasiums wird an den Pranger gestellt. Eine Eskalation, die zeigt, was passiert, wenn dem Steak auf dem Teller ein Gesicht und ein Name gegeben wird. Die MOPO hat mit Lisa Maria Otte (Grüne) über den Streit und das Problem der Massentierhaltung gesprochen.
Dieser Streit „muss dringend auf eine andere Ebene gehoben werden, weil es im Prinzip eine Diskussion um Massentierhaltung ist“, sagt Lisa Maria Otte, Tierschutzsprecherin der Grünen in Hamburg. Generell zeige der Fall ganz klar, dass ein Tier mit Gesicht und Namen für viele etwas anderes sei als die Massen von Tieren, die jedes Jahr geschlachtet würden. 2019 waren es insgesamt 763 Millionen Landtiere alleine in Deutschland, davon 3,4 Millionen Rinder, so die Daten des Statistischen Bundesamtes.
Streit um Hamburger Schulprojekt um Tötung eines Stiers artet aus
„Objektiv betrachtet haben die Jugendlichen Goofy wertvolle Lebenszeit geschenkt und in ihrem Schulprojekt viel über Tierhaltung und Ernährung gelernt“, sagt Otte. Viele würden jetzt sogar weniger Fleisch essen. Es sei von Beginn an ein Ziel des Projektes gewesen, die Schüler zu sensibilisieren und auf die Zustände in der Massentierhaltung aufmerksam zu machen, sagte bereits der Schulleiter Jürgen Solf vergangene Woche.
Zum Hintergrund: Schüler des Waldörfer Gymnasiums hatten ein Stierkalb vor der Schlachtung gerettet. Nach eine längeren Betreuungszeit im Rahmen des Projektes sollte der Stier geschlachtet werden. So hätten die Schüler den gesamten Ablauf, bis hin zum fertigen Stück Fleisch miterlebt. Das Projekt wurde auf Grund des erhöhten Drucks von außen vorzeitig beendet.
Fall „Goofy“: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner ist das Problem
Der Zorn richtet sich gegen die Falschen: „Es ist die Bundespolitik, die jahrzehntelang versagt hat, Goofys Artgenossen ein erträgliches Leben zu gewährleisten“, sagt Otte. Die Zuständigkeit im Bereich Tierschutz liegt auf Bundesebene, die Länder können nur an einigen wenigen Stellschrauben drehen. Die meisten Themen würden beim Landwirtschaftsministerium zusammenlaufen und damit in der Zuständigkeit von Ministerin Julia Klöckner (CDU) liegen.
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„Die Union hat eine jahrzehntelange Fehlsteuerung in der Agrarpolitik zu verantworten“, sagt Otte. Sobald sich der Druck erhöhe, entscheide Klöckner eher zum Wohle der Unternehmen. Ein Beispiel dafür ist, dass erst, als sich eine technologische Möglichkeit der Geschlechtererkennung im Ei ergab, das Thema Kükenschreddern noch einmal angegangen wurde. Die Verlängerung der legalen Kastenstandhaltung bei Schweinen um weitere 15 Jahre kommt auch nur der Fleischindustrie zu Gute. „Sie hält an einem System fest, das schon lange zum Scheitern verurteilt ist.“
In der Massentierhaltung fehlt die Aufklärung
Die meisten Verbraucher bekommen von diesen Vorgängen allerdings nichts mit, Aufklärung fehlt. „Es gibt eine Entfremdung der Menschen von der Landwirtschaft“, sagt Otte. Man sehe nur das fertige Stück Fleisch, schön verpackt im Supermarkt. Schon die Wortwahl zeigt, wie sich der Blick verändert: „Wenn wir auf der Weide eine Kuh sehen, dann ist eine Kuh. Auf dem Teller haben wir dann aber Rind“, sagt Otte. Die Menschen unterscheiden zwischen Tieren zum Liebhaben und zum Nutzen, besteht aber eine persönliche Bindung zum Tier, kann sich diese Einordnung schnell ändern.
„Wir hätten das Problem der Massentierhaltung nicht, wenn sich jeder den Prozess der Fleischherstellung einmal genauer ansehen würde“, so Otte. Genau das hat die Schulklasse mit ihrem Projekt getan und gelernt, dass hinter der Masse von Tieren auch einzelne Gesichter und Kulleraugen stehen – unabhängig davon, ob es richtig oder falsch ist, ein Tier zu töten.