Diskussion um „Corona-Willkür“: Jetzt will Rot-Grün der Bürgerschaft mehr Macht geben
Am Donnerstagabend noch verteidigte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die Macht der Ministerpräsidentenkonferenz in der Cororna-Pandemie: Sie sei „nicht entdeckt worden“, um den Bundestag auszuhebeln oder ein neues Gremium zu schaffen, betonte der Politiker in der Talkrunde von „Maybrit Illner“. Vielmehr habe es „ein Riesenbedürfnis nach Koordination“ gegeben.
Bereits seit Wochen tobt auf Bundesebene der Streit über die Frage, ob die Parlamente ausreichend in die Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie einbezogen werden. Von „Verordnungsdemokratie“ und von einer „Ausschaltung der Parlamente“ ist bei den Kritikern die Rede. Die Entscheider verweisen hingegen auf den Zeitdruck, unter dem sie bei der Corona-Bekämpfung stünden.
Auch in Hamburg nahm die Diskussion Fahrt auf – die Linke forderte jüngst einen Corona-Rat, der bei wichtigen Grundsatzentscheidungen eingeschaltet werden und aus Parlamentariern und Experten bestehen soll.
Rot-Grün will, dass Bürgerschaft mehr mitreden kann
Wie die MOPO jetzt exklusiv erfuhr, beleuchten inzwischen auch die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen die Problematik der Parlamentsbeteiligung. Ziel soll es sein, die Bürgerschaft bei Maßnahmen, die Grundrechte langfristig beeinträchtigen, in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Wie genau das gehen kann und inwieweit auch bereits getroffene Maßnahmen wie zum Beispiel die Sperrstunde davon betroffen sein könnten, wird nach MOPO-Informationen noch diskutiert.
Vorbild für eine entsprechende Verordnung zur besseren Einbindung der Parlamente könnte der Landtag von Baden-Württemberg sein. Hier ist bereits seit Ende Juli gesetzlich geregelt, wann und inwieweit das Parlament mitentscheidet.
Baden-Württemberg als Vorbild für die Parlamentsbeteiligung
Verordnungen seien dem Landtag „unverzüglich, spätestens 24 Stunden nach der Beschlussfassung, zuzuleiten“, heißt es in dem Gesetzesbeschluss der Baden-Württemberger. Die Zuleitung solle so frühzeitig stattfinden, dass eine Befassung des Landtags vor der Verkündung möglich wäre.
„Wir haben ein großes Interesse daran, dass die notwendigen Maßnahmen, die angesichts der rasanten Entwicklungen vom Senat beschlossen werden, auch eine parlamentarische Begleitung bekommen“, sagt Jennifer Jasberg, Fraktionschefin der Grünen.
Und weiter: „Generelle Debatten in der Bürgerschaft zur Corona-Lage sorgen für die politische Bewertung der Entscheidungen und unterstützten die hohe Akzeptanz in der Gesellschaft.“
Grünen-Fraktionschefin: „Mit Entscheidungen transparent Umgehen“
Das Infektionsgeschehen sei sehr dynamisch, und dank wissenschaftlicher Forschung wisse man inzwischen deutlich mehr über die Übertragungswege als noch im Frühjahr. „Mit den darauf aufbauenden Entscheidungen wollen wir möglichst transparent umgehen.
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Wir werden gemeinsam mit unserem Koalitionspartner konkrete Ideen zur parlamentarischen Beteiligung in dieser Pandemie-Zeit entwickeln“, so Jasberg zur MOPO. Wichtig sei, dass alle demokratischen Parteien auf diesem Weg mitgenommen würden.