Geldwäsche, Korruption, Drogen: Dunkle Geschäfte: So profitiert die Mafia von Corona
Gastronomen, Selbstständige und mittelständische Unternehmer leiden extrem unter den Folgen von Corona. Ihnen fehlt es an Liquidität. Und das könnte das organisierte Verbrechen jetzt ausnutzen – befürchtet Jan Reinecke, Hamburger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Im MOPO-Interview spricht der 45-jährige Kriminalhauptkommissar über Geldwäsche, miese „Deals“ vor Gericht und mangelnde Unterstützung der Polizei durch Politiker.
MOPO: Einbrüche gehen zurück, Taschendiebstahl gibt es kaum noch. Sorgt Corona dafür, dass Hamburg aktuell so sicher ist wie nie?
Jan Reinecke: Hamburg ist aktuell sicherer geworden. Keine Frage. Doch das betrifft natürlich nur solche Straftaten, die auch angezeigt werden. Das sogenannte Dunkelfeld ist davon nicht betroffen. Stichwort: Organisierte Kriminalität (OK). Hier geht es um Geldwäsche, Korruption oder Rauschgifthandel. Drogen sind das große Thema in Hamburg. Der Markt ist wegen Corona ja mitnichten eingebrochen.
Der Hamburger Hafen ist weltweit einer der großen Umschlagplätze für Kokain. Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise hier?
Da gibt es kaum Auswirkungen. Die Nachfrage nach Drogen ist unverändert sehr groß. Und die Drogenkartelle arbeiten weiter weltumspannend. Das sind abstrus große Mengen, von denen hier nur ein kleiner Bruchteil entdeckt wird. Im Sommer 2019 sind auf einem Schiff im Hafen allein 4,5 Tonnen Kokain sichergestellt worden und das hatte keinerlei Einfluss auf den hiesigen Drogenmarkt. Angebot und Preis blieben gleich.
Sitzt das organisierte Verbrechen deswegen aktuell nicht auf gigantischen Mengen Geld? Und könnte diese Liquidität in der aktuellen Krise nicht in Hunderte Betriebe gesteckt werden – zur Geldwäsche?
Ja, das ist tatsächlich die Gefahr, die wir aktuell sehen. Der Organisierten Kriminalität geht es gut, man hat eben keine Markteinbußen. Die Täter sitzen auf unendlich großen Bergen an Geld und das muss investiert werden. Und man kann in der aktuellen Lage sehr gut investieren. Jetzt schreit die Wirtschaft nach Geld. Kleine Unternehmen, Restaurants, Spediteure – solche Branchen brauchen aktuell Geld oder müssen Unternehmensanteile verkaufen. Hier besteht tatsächlich die große Gefahr, dass sich die Organisierte Kriminalität in unsere Wirtschaft einkauft.
Wenn in diesen Zeiten mein „Italiener an der Ecke“ plötzlich eine teure neue Einrichtung hat, dann hat die die Mafia bezahlt?
Könnte schon sein …
Und was kann die Hamburger Polizei hier tun, bekommt sie solche Mafia-Aktivitäten überhaupt mit?
Nein, die Polizei kriegt das nicht mit. Es gilt der Satz: Organisierte Kriminalität zu bekämpfen heißt zunächst einmal, sie zu erkennen. Und da fehlt es uns in Hamburg einfach an Personal, an der Ausstattung, aber auch am politischen Willen, solche Strukturen zu erkennen.
Das müssen Sie erläutern.
Gerne. OK – das sind feste Strukturen, es gibt Hierarchien. Es gibt auch Figuren, die Züge von Paten in Mafia-Filmen haben. Und da ist in der Politik kaum jemand, der einen langen Atem hat, um über Jahre solche Strukturen zu verfolgen. Diese Ermittlungen kosten Geld, brauchen viel Personal. Und das alles für ein ungewisses Ermittlungsergebnis. Die Überführung solcher Täter ist extrem schwierig. Solche Leute handeln weltweit und da ist es für die Politik dann oft eine ökonomische Frage, ob man als Stadtpolizei hier aktiv wird.
Immerhin hat das Hamburger Landeskriminalamt (LKA) eine spezielle Abteilung.
Ja, die Kollegen sind auch höchst motiviert. Aber der Austausch unter Polizeien und Justiz in Europa ist extrem schwierig. Wir plädieren für die Schaffung eines europäischen FBI und einer europäischen Staatsanwaltschaft, nur so können international operierende Täter verfolgt werden. Das findet aktuell faktisch nämlich nicht statt. Oft hängt es schon an der IT – die ist nämlich bei allen Polizeien unterschiedlich. Das organisierte Verbrechen nutzt den Föderalismus in Europa, aber auch in Deutschland gnadenlos aus. Und natürlich nutzen diese Täter auch den Datenschutz.
Das bedeutet?
Wir haben bei der OK erheblich Probleme, vor allem den Führungsfiguren konkrete Straftaten nachzuweisen, und dann ist eine Ermittlung eben sehr schwierig. Datenschutz ist wichtig, aber er wird von solchen Tätern eben gnadenlos ausgenutzt. Das ist ein Preis, den wir in unserer offenen und liberalen Gesellschaft zahlen.
Wie sehen Sie die Rolle der Justiz bei der OK-Bekämpfung?
Wir haben schon extreme Personalprobleme bei der Kripo. Aber das ist bei der Justiz noch mal schlimmer. Große Verfahren werden deswegen aus „prozessökonomischen Gründen“ dort nicht entsprechend verfolgt.
Die Verfahren werden eingestellt?
Oder gar nicht erst eröffnet, wenn bei der Staatsanwaltschaft Ressourcen fehlen.
Man hört ja – wie aktuell beim abgeschlossenen Verfahren im Zusammenhang mit 1,1 Tonnen Kokain – immer wieder von „Deals“ vor Gericht.
Oft arbeiten exzellent verdienende Rechtsanwälte genau darauf hin, beispielsweise mit Dutzenden Anträgen, die Verfahren endlos in die Länge ziehen.
Video: 1,1 Tonnen Koks präsentierte die Polizei
Und dann gibt es „Rabatt“, damit das Verfahren schnell beendet werden kann?
Ja, genau und das ist keine Ausnahmesituation. Das kommt hier regelmäßig vor.