Gezielte Anfeindungen: Coronavirus: Rassistische Angriffe gegen Hamburger
Altstadt –
Die Angst vor dem Coronavirus verbreitet sich derzeit fast schneller auf der Welt als die Krankheit selbst. Vielen Menschen mit asiatischen Wurzeln schlägt deshalb Rassismus entgegen. Sang-Min Do (20) aus Hamburg-Sasel sprach mit der MOPO über seine Erfahrungen mit diesem Problem.
Es geschah am vergangenen Freitagabend nahe der Europa-Passage in der Altstadt. Sang-Min Do ist mit einer Gruppe von Freunden auf dem Heimweg, als sie hören, wie ihnen andere Passanten von weitem „Corona, Corona“ hinterherrufen.
„Ich bin kein Virus“: Ein Hamburger über seine Erfahrung mit Rassismus
„Darauf haben wir erstmal nicht reagiert. Wir sind runter in Richtung U-Bahn gegangen und dort waren wieder zwei, die haben das auch gesagt. Ich habe gesehen wie einer sein Handy rausgeholt hat, um die Aktion zu filmen“, beschreibt Do die Situation.
Video: Was genau ist das Coronavirus?
„Ich habe ihnen gesagt, dass sie stehen bleiben sollen. Zuerst waren sie auf Streit aus und dachten, wir wollen uns prügeln.“ Aber Do bleibt ruhig und stellt die Männer zur Rede. Weitere Freunde aus seiner Gruppe, in der alle einen asiatischen Migrationshintergrund haben, mischen sich ein.
Das könnte Sie auch interessieren: Coronavirus auf dem Weg nach Hamburg: Müssen bald ganze Stadtteile abgeriegelt werden?
Es entsteht ein Wortgefecht. Dann sagt der Mobber etwas, was Do nicht vergessen kann: „Ich finde es ist lustig, und ganz ehrlich: Die haben es da drüben verdient zu sterben, wenn die alle Fledermäuse fressen.“
Rassismus wegen des Virus: Für den Hamburger Do keine Seltenheit
Do ist fassungslos und will wissen, warum die Männer alle Asiaten über einen Kamm scheren. Darauf haben die Mobber auch keine Antwort. „Wie findest du es denn, wenn du auf der Straße wegen deiner Herkunft angemacht wirst?“„Ich lebe damit, deswegen kann ich das ja wohl auch machen“, sagt der Mobber, der dem Anschein nach selbst einen Migrationshintergrund hat.
„Mir sind solche Situationen jetzt schon öfter passiert. Leider sind es tatsächlich häufig Menschen, die selbst einen nicht-asiatischen Migrationshintergrund haben, die sowas sagen. Das finde ich traurig, weil die Migranten sich doch nicht gegenseitig fertig machen sollten. Wenn die sich öffentlich so verhalten, dann kann ich auch verstehen, warum viele Menschen in Deutschland die AfD wählen“, sagt Do.
Rassismus wegen Corona: So erklärt es eine Hamburger Sozialpsychologin
„Das Virus wurde bis vor Kurzem noch als eine fremde Bedrohung wahrgenommen. Die Bilder von Menschen mit Masken und überfüllten Krankenhäusern waren weit weg. Jetzt ist das Virus auch in Deutschland angekommen, und viele Menschen versuchen sich zu beruhigen, indem sie nach einfachen Erklärungen suchen“, sagt Juliane Degner, Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Hamburg.
„Mit dem Satz ‚Die essen Fledermäuse‘ wollen sich die Mobber distanzieren. Sie machen sich glauben, selbst nicht betroffen zu sein, weil sie diese Tiere nicht essen, und schieben das Thema von sich weg“, sagt Degner.
Die aktuelle Situation sei mit der Lage im Jahr 2003 vergleichbar, als SARS sich ausbreitete, oder mit der Ebola-Epidemie 2014. Damals wurden ebenfalls Menschen asiatischer beziehungsweise afrikanischer Herkunft diskriminiert.
San-Min Do aus Hamburg teilt seine Erfahrungen im Internet
Als Sang-Min Do nach Hause kommt, ist er immer noch wütend über den Vorfall. Seine Großeltern kamen als Facharbeiter aus Südkorea nach Deutschland, er selbst ist hier geboren. In den sozialen Medien macht Do seinem Ärger Luft und findet andere Beiträge, die von ähnlichen Erfahrungen berichten.
In Frankreich machen Asiaten unter dem Hashtag #JeNeSuisPasUnVirus, zu Deutsch „Ich bin kein Virus“ auf diesen Missstand aufmerksam. Auch Do solidarisiert sich mit dem Aufruf.
Ausgrenzung aus Angst vor Corona: Antidiskriminierungsstelle schlägt Alarm
„Wir wissen, dass andere Antidiskriminierungsstellen einige Fälle in dieser Richtung hatten. Wir haben in Hamburg bisher nur wenige Anfragen dazu erhalten, aber das ist nicht repräsentativ“, sagt Birte Weiß vom Träger „Basis & Woge Hamburg“.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin teilt auf ihrer Webseite mit, dass sich bereits 19 Betroffene bei ihnen gemeldet hätten (Stand: 12. Februar). Unter anderem habe eine Arztpraxis einem Patienten mit chinesischer Herkunft die Behandlung verweigert, obwohl der wegen ganz anderer Symptome dort war.
Sang-Min Do möchte den Ort, an dem seine Geschichte passiert ist, in Zukunft meiden. Er hat Sorge dort wieder so etwas zu erleben: „Die Leute machen sich darüber lustig, dass Menschen sterben. Das kann ich nicht nachvollziehen.“