Menschenmassen bei Protesten: Gefährden Demos die niedrigen Corona-Fallzahlen?
Am Freitag und Samstag versammelten sich Tausende Hamburger zu Antirassismus-Protesten in der Stadt. An beiden Tagen sollten die Veranstaltungen abgebrochen werden, da aus Sicht der Polizei und der Versammlungsleiter der Infektionsschutz nicht länger gewährleistet werden konnte – doch das war aufgrund der Menschenmassen unmöglich. Wie stark gefährden die Mega-Demos die zuletzt niedrigen Fallzahlen in Hamburg?
4500 Menschen waren es am Freitag, Samstag dann sogar 14.000 Menschen: Die angekündigten Proteste in Hamburg anlässlich des getöteten George Floyd sind vollkommen aus dem Ruder gelaufen. Der Senat will zurzeit eigentlich Menschenansammlungen vermeiden und wägt vorsichtig ab, welche Demonstrationen mit welcher maximalen Teilnehmerzahl erlaubt werden. Dass hier so viel Menschen gegen Rassismus auf die Straße gehen würden, damit hatte man nicht gerechnet – obwohl sich in anderen Städten Europas bereits ein ähnliches Phänomen abzeichnet.
Corona in Hamburg: Gefährden Demos die niedrigen Fallzahlen?
Die entscheidende Frage ist am Ende, wie gefährlich derartige Menschenansammlungen sind. Denn aktuell kämpft die Welt nicht nur gegen Rassismus, sondern auch gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie. Der „Spiegel“ schreibt: Je ungeregelter die Kundgebungen sind und je mehr Menschen mitmachen, desto größer wird die Gefahr, dass sie „Superspreader-Events“ werden: Ereignisse, bei denen das Virus sich en masse verbreitet.
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Die Gefahr, dass ein Infizierter viele andere Personen ansteckt, besteht demnach vor allem bei großen Zusammenkünften in geschlossenen Räumen – also da, wo sich Schwebeteilchen besonders gut verteilen können. Durch das anhaltende Verbot von Großveranstaltungen konnte hierzulande wahrscheinlich eine Menge verhindert werden. Denkbar, dass Großdemonstrationen diese Fortschritte wieder kaputt machen könnten.
Hamburger Virologe sagt: Großdemos spielen Virus in die Hände
Zwar hielten sich die meisten Demonstrations-Teilnehmer an die Maskenpflicht und versuchten, den Abstand einzuhalten, doch bei so vielen Menschen ist fraglich, ob das ausreichend ist. „Es ist eine Zwickmühle“, sagte Jonas Schmidt-Chanasit, Virologe am Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, gegenüber dem „Spiegel“. „Einerseits ist das ein gerechtfertigter Protest, den viele Leute unterstützen wollen. Andererseits spielt es dem Virus in die Hände, wenn Massen von Menschen eng beieinander sind und schreien.“
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Ein klarer Vorteil ist, dass die Demonstrationen an der frischen Luft stattfinden und sich dabei Aerosole nicht so schnell verteilen wie in geschlossenen Räumen. Dennoch ist die Gefahr auch von anderen Faktoren abhängig. „Es kommt auf den Einzelfall an“, so Schmidt-Chanasit weiter. „Wenn eine Demonstration geregelt ist, wenn die Leute schweigend zusammenstehen und Kerzen anzünden, ist das etwas ganz anderes, als wenn sie ihre Wut herausschreien und nicht mehr so auf die Abstände achten.“
Demos in Hamburg: Teilnehmer protestierten friedlich, aber laut
Auch wenn in Hamburg vorwiegend friedlich protestiert wurde – ruhig war es definitiv nicht: Im Anschluss an eine Schweigeminute wurde geklatscht, die Menschen riefen immer wieder lauthals „Alle zusammen gegen den Rassismus“, „No justice no peace“ und „Black Lives Matter“. Es bleibt zu hoffen, dass aus den Soli-Aktionen keine „Superspreader-Events“ geworden sind.