Prozessauftakt: Warum musste Polizist Klaus-Ulrich H. sterben?
Lurup/Hamm/Neustadt –
Vor fast einem Jahr kam es an der Luruper Hauptstraße zu einem folgenschweren Unfall: Eine geplante Festnahme läuft schief, der per Haftbefehl gesuchte Mann, Mahmut H. (30), versucht zu flüchten, gibt Gas und rammt das zivile Auto des Kripo-Beamten Klaus-Ulrich H. Der Polizist stirbt später im Krankenhaus. Am Freitag hat der Prozess am Landgericht Hamburg begonnen.
Mahmut H. sitzt mit geradem Rücken auf der Anklagebank. Er trägt Brille, Sakko, Pullunder und Hemd. Er schaut auf Zettel und Notizen. Darauf Worte, die erklären sollen, was am 25. Februar 2020 wirklich passiert ist. „Ich habe viel nachgedacht. Das hier möchte ich loswerden“, sagt er.
Hamburg: Ein vorgeblicher Autokauf, Rocker und ein toter Polizist
Als Nebenkläger sitzt der 19 Jahre alte Sohn des toten Polizisten nur wenige Meter von ihm entfernt. Der junge Mann, ebenfalls bei der Polizei, war am besagten Abend in Lurup an der Unfallstelle, sah, wie sein Vater bewusstlos ins Eppendorfer Universitätsklinikum gebracht wurde.
H.s Blick schweift über den Zettel. Dann schaut er in die Runde: „Ich dachte, es wäre ein Überfall, vielleicht Rocker“, wegen einer möglichen Bedrohung aus solchen Kreisen sei er in U-Haft auch in den Sicherheitstrakt verlegt worden. „Ich habe gehofft, dass nichts Schlimmes passiert ist. Es ist nicht zu entschuldigen. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen.“
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Der 30-Jährige legt die Zettel zur Seite. Er ist kein unbeschriebenes Blatt: 14 Einträge sind in seiner Akte zu finden. Verurteilungen, Bewährungsstrafen, Verfahrenseinstellungen. Diebstahl, Raub, Körperverletzung, Nötigung, räuberische Erpressung und – dafür gibt es gleich mehrere Einträge – Fahren ohne Fahrerlaubnis.
Auch am besagten Tag war Mahmut H. ohne Führerschein unterwegs. Dieser war ihm bereits 2016 entzogen worden. Weil er wegen anderer Delikte bereits per Haftbefehl gesucht wurde und ihm ein erneuter Gefängnisaufenthalt bevorstand, holte er seinen Führerschein nach Ablauf der Sperre nie ab.
Polizei fingierte ein Treffen, täuschte Kaufinteresse vor
Die Polizei, die ihm schon mehrere Monate auf den Fersen war, fingierte mit H. ein Treffen. Dieser hatte nämlich einen Mercedes CLK bei Ebay-Kleinanzeigen angeboten. An einer Bushaltestelle an der Luruper Hauptstraße fuhr er mit einem VW Phaeton rechts ran, fragte einen der zivil gekleideten Beamten: „Bist du Tommy?“
Nach H.s Schilderung bejahte der Polizist die Frage – zu keinem Zeitpunkt hätten er oder sein Kollege sich als Beamte ausgewiesen. Auch nicht, als einer der Ermittler ins Auto gesprungen sei „und plötzlich auf mich einschlug“.
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Er habe sich nur schützen wollen, habe hektisch aufs Gas getreten. Dass er über eine mehrspurige Straße, eine Verkehrsinsel und schließlich in das ihm entgegenkommende Zivilauto, einen BMW, in dem Klaus-Ulrich H. saß, steuerte, „das nahm ich überhaupt nicht wahr“.
An vieles kann sich H. auf Nachfrage von Richter und Staatsanwaltschaft nicht mehr erinnern. Auch dass sich die Polizisten nicht als solche ausgewiesen hätten, beantwortet der Angeklagte erst eindeutig, als der Richter mehrmals nachhakt. Unklar bleibt auch, warum H. überhaupt Auto gefahren ist, obwohl er keinen Führerschein hatte. „Dazu muss er jetzt nichts sagen“, sagt seine Anwältin.
13 Termine sind angesetzt – mögliches Urteil erst im April
Am kommenden Montag geht der Prozess, in dem H. Körperverletzung mit Todesfolge zur Last gelegt wird, weiter. Dann soll es um die Sicht der Polizei gehen und der Frage nach möglichen Fehlern im Einsatzkonzept nachgegangen werden. Insgesamt sind 13 Termine angesetzt. Das Urteil soll am 1. April verkündet werden.