• Twitter war vier Jahre lang DAS Sprachrohr für US-Präsident Donald Trump. Damit ist jetzt Schluss.
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Social-Media-Notbremse: Trump auf Twitter gesperrt – das kann erst der Anfang sein

Kommentar –

Es war die digitale Notbremse, um noch größeres Unheil abzuwenden: Nachdem die Anhänger des scheidenden Präsidenten in der US-Hauptstadt Washington das Kapitol gestürmt hatten, sperrte der Nachrichtendienst Twitter das Profil von Donald Trump und damit den wohl bekanntesten Twitter-Account der Welt. Es bestehe das „Risiko weiterer Anstiftung zur Gewalt“, so die Begründung.

Und genau diese Entscheidung von Twitter-Chef Jack Dorsey war richtig. Dem Nachrichtendienst für diesen Vorgang nun reflexhaft zu applaudieren, ist hingegen falsch. Gesperrt! Alles gut? So einfach ist es eben leider nicht.

Denn sosehr der Vorgang einerseits unvermeidbar ist, so ist er eben auch gleichzeitig problematisch. Und das auf vielen Ebenen.

Da ist zum einen der Zeitpunkt:

Vier Jahre lang nutzte Donald Trump seine Lieblingsplattform Twitter und andere soziale Medien als Bühne, um ungefilterten Hass gegen Minderheiten zu verbreiten, ungeniert zu lügen. Zu drohen, verunglimpfen, einzuschüchtern und um seine teils gewalttätige Anhängerschaft anzuheizen.

Trump auf Twitter wie eine Abrissbirne

88 Millionen Follower hatte Trump zuletzt – mehr als Deutschland Einwohner hat. Twitter hat Trump damit erst zu jener Macht verholfen, mit der er zuletzt wie eine Abrissbirne durch die US-amerikanische Demokratie fegte.

Twitter und Facebook sperren Trump

Twitter und Facebook sperren US-Präsidenten – nach Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol.

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Nun hatte der US-Präsident in seinen letzten Tweets angekündigt, dass er nicht an der Amtseinführung seines Nachfolgers Joe Biden teilnehmen werde, und er verbitte sich, dass seine Anhänger „in irgendeiner Weise respektlos oder ungerecht behandelt“ würden. Jene Anhänger also, die kurz zuvor das Kapitol zerlegt hatten.

Trump-Verbannung: Richtig – und dennoch scheinheilig

Erst daraufhin, jetzt am Freitag, rang sich Twitter zu der schwerwiegenden Maßnahme durch. Einerseits angesichts der hochexplosiven Stimmung in den USA. Andererseits fiel der Schritt wohl auch gerade jetzt leicht, wo die Macht Trumps ohnehin nur noch eine Frage von Tagen ist. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte bereits entsprechend reagiert und Trump aus seinem sozialen Netzwerk verbannt.

Das ist, wie gesagt, richtig so. Und es ist trotzdem scheinheilig.

Denn jahrelang hatten die Zuckerbergs und Dorseys eben kein Problem damit, diesem Mann im Weißen Haus das Megafon zu halten.

Wie zerstörerisch wirkt die Macht der sozialen Medien auf die Demokratie?

Die Notbremse kann also nur der Beginn einer eingehenden Selbstreflexion im Silicon Valley, dem Sitz der Social-Media-Riesen, sein. Die Kernfrage muss dabei lauten: Wie zerstörerisch wirkt die Macht der sozialen Medien auf die Demokratie? Und was sind die Lehren aus dieser beispiellosen Eskalation in der Ära Trump? Womit wir direkt beim nächsten Problemfeld wären.

Die Macht von Twitter, Facebook und Co.:

Mit dem Sperren des Trump-Accounts hat Twitter in gewisser Weise das vollzogen, woran sich demokratische Instanzen bereits lange erfolglos abgearbeitet hatten – unter anderem im Zuge des zähen Impeachment-Verfahrens, das schließlich scheiterte. Erst Twitter konnte den Präsidenten nun ernsthaft in seine Schranken weisen, ihn auf stumm schalten.

Soziale Medien: schneller, reicher, reichweitenstärker und mächtiger als alle anderen Medien

In diesen dunklen Stunden der US-amerikanischen Demokratie mag man sich darüber freuen. Gleichzeitig offenbart der Vorgang eine bedrohliche politische Macht der großen Tech-Unternehmen dieser Welt.

Die sozialen Medien entscheiden heute maßgeblich darüber, was uns an Informationen erreicht und worüber diskutiert wird. Sie sind inzwischen schneller, reicher, reichweitenstärker und mächtiger als alle anderen Medien. Dass die Politik, die den Rahmen dafür setzen sollte, was Meinungsfreiheit bedeutet und wo ihre Grenzen liegen, weltweit, auch bei uns, zugelassen hat, dass diese Meinungsfreiheit inzwischen in den Händen einer Handvoll Milliardäre liegt, ist ein katastrophales Versäumnis.

Ausschluss Trumps dürfte Hass auf Establishment weiter befeuern

Denn: Sind ebendiese Männer, die den mächtigsten Politiker der Welt stummschalten können, dann am Ende nicht noch mächtiger als er selbst? Männer, die vermögend sind, aber deren Macht keineswegs demokratisch legitimiert ist?

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Fragen, die sich nun auch jene populistische Anhängerschaft Trumps zu eigen macht. Ausgerechnet. Von Zensur ist die Rede, von einer „Diktatur“ der Tech-Unternehmen. Der republikanische Senator Ted Cruz schrieb gar von „Säuberung“. Kurzum: Der Ausschluss Trumps dürfte den Hass auf das Establishment weiter befeuern, viele seiner Anhänger werden sich in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen. Womit sich das dritte Problemfeld eröffnet:

Parallelwelten manifestieren sich:

Die Wut über die verhängte Trump-Sperre auf den gängigen Plattformen wird nicht im Schweigen der Unliebsamen münden. Vielmehr tummeln sich Extremisten und Verschwörungstheoretiker auch hierzulande bereits auf alternativen Plattformen wie Parler und Co. Plattformen, die sich den gängigen Regeln der Moderation entziehen und weitestgehend auf Kontrollen der Inhalte verzichten. Auch der Kapitol-Mob hat sich übrigens auf Parler organisiert.

Google und Apple entfernen Parler

Google und Apple haben nun angekündigt, Parler aus ihren App-Bibliotheken zu entfernen, damit sie nicht mehr über die gängigen Wege heruntergeladen werden können. Andere Wege werden im Netz hingegen offen bleiben, Wege in ein digitales Paralleluniversum mit Marktplätzen für ungefilterten Schund jeglicher Art.

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Erst im Dezember erklärte das Bundesinnenministerium zu der Plattform Parler: Sie sei „eine von vielen möglichen Ausweichplattformen, die ein weiteres potentielles Sammelbecken der deutschen rechtsextremistischen Online-Szene darstellt und aktuell innerhalb der rechtextremistischen Szene beworben wird“.

Joe Biden steht in den USA nun vor einer riesigen Herausforderung, das haben die vergangenen Tage einmal mehr auf brutale Art und Weise offenbart. Die Diskussion um Twitter und Trump zeigt aber auch, wie sehr jetzt auch hierzulande die Politik gefragt ist.

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