Stadt lässt viele uralte Häuser entfernen: An Hamburgs Deichen wüten die Abrissbagger
Neuengamme/Kirchwerder –
Schmelzende Pole, steigender Meeresspiegel: Hamburg rüstet sich vor möglichen Sturmfluten und erhöht auf zig Kilometern die Deiche. Doch dafür werden auch viele alte Gebäude abgerissen – denn sie gelten als Schwachstellen. Jetzt müssen drei weitere, teilweise Jahrhunderte alte Gebäude entlang des Kraueler und Zollenspieker Hauptdeiches weichen.
Seit mehreren Jahren werden entlang der Hamburger Deichlinie Gebäude abgerissen, um die Sicherheit und den Schutz vor Überschwemmungen garantieren zu können. In den kommenden Wochen müssen wieder zwei Häuser und ein Gewächshaus dran glauben. Während das Gewächshaus schätzungsweise erst 60 bis 70 Jahre alt ist, ist das Gebäude am Kraueler Hauptdeich 183 bereits 130 Jahre alt. An der Hausnummer 161 steht sogar ein 300 Jahre altes Gebäude.
Abriss in Hamburg: 300 Jahre altes Haus muss dem Deichbau weichen
Neben dem ländlichen Charme der Deichstraßen prägen gerade die alten, teilweise historischen Gebäude das Bild der Deiche. Vor 300 Jahren war die Nähe zum Deich sinnvoll, dort liefen etwa die Straßen.
Doch durch die klimatischen Veränderungen gehen Experten davon aus, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt, Sturmfluten deutlich höher ausfallen und die Anzahl der Stürme zunehmen wird.
Das könnte Sie auch interessieren: Corona-Demo in Hamburg: Radikale Ignoranten im Schafspelz
Seit mehreren Jahren erwirbt die Stadt daher immer mehr Gebäude entlang der Hamburger Deiche. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Gebäude an der ersten oder zweiten Deichlinie handelt, nach Angaben der Umweltbehörde seien beide in Bezug auf den Hochwasserschutz wichtig.
Klimawandel in Hamburg: Darum kauft die Stadt alte Häuser auf
Bei der ersten Deichlinie handelt es sich um den knapp 103 Kilometer langen Hauptdeich entlang der Elbe. Die zweite Deichlinie verläuft entlang der Binnengewässer wie beispielsweise der Dove-Elbe. Dass nun die Stadt all diese Grundstücke erwirbt, ist kein Zufall. Das sogenannte Vorkaufsrecht regelt, dass die Stadt, bei Verkäufen von Gebäuden auf Deichgrund Vorrang vor anderen Käufern erhält.
Das könnte Sie auch interessieren: Posse in Hamburg: Diese neue Verkehrsführung bringt Radfahrer in Gefahr
Gerade die erste Deichlinie „schützt bei einer Sturmflut vor einer Überflutung weite Teile der Stadt“, sagt ein Sprecher der Umweltbehörde. „Etwa 325.000 Menschen leben in Hamburg in sturmflutgefährdeten Bereichen.“ Die verheerende Folge des Versagens der Hauptdeichlinie zeigte sich bei der Sturmflut am 17. Februar 1962 – 20.000 Menschen mussten evakuiert werden, 315 starben.
Hamburg: Häuser an den Deichen werden zu Schwachstellen
Um einer erneuten Katastrophe vorzubeugen, müssen Schwachstellen an den Deichen grundlegend beseitigt werden. „Dazu zählen auch starre Einbauten“, wie beispielsweise Häuser, erklärt der Sprecher. Durch die erhöhte Belastung der Deiche bei Überflutungen kann es an den Übergängen vom Deich zu den Gebäuden zu Rissen kommen, die im schlimmsten Fall in einem Deichbruch enden.
Über kurz oder lang werden also immer mehr Häuser entlang der Deiche verschwinden. „Die Gebäude in der Hauptdeichlinie stellen grundsätzlich eine Schwachstelle für die Deichsicherheit dar“, erklärt der Sprecher der Umweltbehörde. „Das Errichten neuer Gebäude, die nicht dem Hochwasserschutz dienen, ist daher untersagt.“