Steigende Corona-Zahlen: Kommt jetzt die Ausgangssperre in Hamburg?
Die Zahlen steigen, die britische Mutation schlägt durch und die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin beschließen erst eine Osterruhe, um sie dann doch nicht durchzuführen. Auch sonst gibt es keine positiven Nachrichten bei der Pandemiebekämpfung zu vermelden. Immer wieder wird nun eine Ausgangssperre ins Gespräch gebracht, wenn es um neue Corona-Maßnahmen geht.
Hamburg vermeldete am Sonntag eine Sieben-Tage-Inzidenz, die fast bei 150 lag. Am Montag tritt die neue Corona-Verordnung in der Stadt in Kraft – jedoch nur mit kleineren Anpassungen, wie die Maskenpflicht in Autos, wenn Personen aus unterschiedlichen Haushalten mitfahren. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der unter den Ministerpräsidenten zu den Mahnern gehört, plant darüber hinaus erst einmal keine weiteren Schritte.
Forderungen nach Ausgangssperren werden lauter
Doch die Nachbarbundesländer denken derweil über die Option Ausgangssperre nach, und im ganzen Land verdichten sich die Forderungen nach einem weiterreichenden Lockdown. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“, Ausgangsbeschränkungen könnten „ein ganz wirksames Mittel sein.“
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wünscht sich, dass das Land für „zehn bis 14 Tage“ richtig runtergefahren wird. Dabei könnte die Ausgangssperre ein Instrument sein, wie Gesundheitsexperte und SPD-Politiker Karl Lauterbach im „Stern“ betont: „Ich habe früher noch nie Ausgangssperren gefordert. Wäre die Mutation nicht gekommen, wären wir ohne sie ausgekommen. Aber es ist einfach naiv zu glauben, dass die Leute sich abends nicht treffen und wir B.1.1.7 ohne Ausgangsbeschränkungen in den Griff bekommen.“
In Niedersachsen und Meck-Pomm sind Ausgangssperren möglich
In Mecklenburg-Vorpommern können Landkreise künftig ab einer Inzidenz von 100 Ausgangsbeschränkungen zwischen 21 Uhr und 6 Uhr verhängen, wenn die dortigen Corona-Infektionen als lokal nicht mehr eingrenzbar eingestuft werden. Stefan Sternberg (SPD), Landrat von Ludwigslust-Parchim, kündigte etwa an, dass es von Montag an in seinem Landkreis Ausgangsbeschränkungen geben soll. Für triftige Gründe, etwa den Weg zur Arbeit oder Arztbesuche, soll es Ausnahmen geben.
Auch in Niedersachsen wird solch eine Regelung erarbeitet – ab einem Inzidenzwert von 150 soll die Ausgangssperre sogar im jeweiligen Kreis verpflichtend gelten. Die niedersächsische Grafschaft Bentheim hatte bereits Ende 2020 als erster Kreis in dem Bundesland eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und spricht heute von guten Erfahrungen mit diesem Instrument. Man habe die Inzidenz damals von 230 auf gut 120 senken können, sagte eine Sprecherin.
Was bringt eine Ausgangssperre?
Doch über den Nutzen von Ausgangssperren wird kontrovers diskutiert, denn über die Wirkung regionaler Ausgangsbeschränkungen ist in Deutschland noch nicht viel bekannt. Dafür legt eine internationale Übersichtsstudie der University of Oxford nahe, dass Ausgangssperren nur einen mittelmäßigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten. Beschränkungen von Versammlungen auf weniger als zehn Personen seien demnach effektiver, auch die Schließung von Bildungseinrichtungen und Restaurants sei wirksamer.
Aus den USA liegt wiederum eine Studie vor, die nahelegt, dass die Infektionsraten nach Einführung von Ausgangssperren an den entsprechenden Orten sanken. Eine eindeutige Forschung dazu ist jedoch schwierig, oftmals greifen parallel andere Maßnahmen, was eine isolierte Betrachtung unmöglich macht. Jedoch haben der Mobilitätsforscher Kai Nagel von der TU Berlin und seine Kollegen eine Simulation erstellt, die einen größeren Effekt nachweist. Gegenseitige Besuche fänden vor allem abends statt, was durch eine Ausgangssperre eingedämmt werden würde.
Großbritannien, Italien, Frankreich oder auch Spanien setzen schon länger auf Ausgangssperren. Auch die Niederlande; Anfang des Jahres hatte es deswegen massive Ausschreitungen gegeben – die Regierung blieb jedoch hart.
Wie geht es weiter in Hamburg?
Und wie sind die Pläne in Hamburg? Hier hält der Senat erst einmal eisern an der neuen Corona-Verordnung mit überschaubaren neuen Maßnahmen fest. „Die Ausgangssperre gehört nicht dazu. Insofern gibt es hierzu derzeit keine neuen Überlegungen“, so Senatssprecher Marcel Schweitzer zur MOPO. Und auch aus der Bürgerschaft kamen bislang keine vehementen Forderungen nach einer Ausgangssperre. Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg twittere: „Hamburgs Linie in der Pandemiebekämpfung bleibt streng, die Lage ernst. Aber Ausgangssperren gibt es unter #RotGrün nicht. Solange Menschen beispielsweise auf der Arbeit noch einem Infektionsrisiko ausgesetzt sind, ist nicht plausibel, warum sie spätabends nicht rausgehen sollen.”
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Dass das so bleibt, darf bezweifelt werden. Es ist kaum davon auszugehen, dass hinter den Kulissen nicht fieberhaft über weitere Schritte, inklusive auch einer möglichen Ausgangssperre, beraten wird. Das aktuelle Infektionsgeschehen macht eine baldige Reaktion schlicht unausweichlich. (fkm)