Sternbrücke: Clubs bangen um ihre Zukunft – und greifen Senat hart an
Sternschanze –
Sie plagen Existenzsorgen und Zukunftsängste: Die Clubs an der Sternbrücke müssen sich momentan gleich mit zwei Problemen herumschlagen. Aktuell kämpfen Astrastube, Fundbureau und Waagenbau mit der Corona-bedingten Schließung, doch auch die Abrisspläne der denkmalgeschützten Sternbrücke rücken immer näher. Die Betreiber sprachen mit der MOPO darüber, wie es für die Clubs weitergehen könnte.
Wir erinnern uns an den März zurück: Viele Club- und Kneipenbetreiber beschlossen schon vor der Allgemeinverfügung, die Türen zum Schutze aller zu schließen und damit die eigene Existenzbedrohung in Kauf zu nehmen – noch ohne die Gewissheit, ob und wie viel Unterstützung man von der Stadt bekommen würde. Doch die Akzeptanz für den Lockdown und die Kontaktbeschränkungen lassen allmählich auch bei denjenigen nach, die in diesen Zeiten besonders verantwortungsbewusst gehandelt haben.
Hamburgs Sternbrücken-Clubs zwischen Corona-Lockdown und Abriss
Während inzwischen fast alles wieder öffnen darf, wird den Clubs noch immer der Riegel vorgeschoben. „Fitnessstudios machen auf, aber Clubs nicht, weil ein Virologe meint, die seien das Epizentrum der Coronakrise. Was die Sicherheitsauflagen angeht, fühle ich mich ungerecht behandelt“, sagt Claudia Mohr, Geschäftsführerin vom Waagenbau. Ähnlich denkt Stephan Funk, der seit 2009 Teil des Fundbureaus ist: „Durch die Verfügung wird unsere Kreativität im Keim erstickt: Warum soll man die Schließung nicht aufheben und die Abstands- und Hygieneregeln auch bei uns anwenden?“
Besonders betroffen gemacht habe die Betreiber vor allem eine Aussage von Hamburgs Kultursenator. „Veranstaltungen, die mit Nähe, Körperkontakt, Schwitzen und schwer Atmen zu tun haben, werden erst stattfinden, wenn wir einen Impfstoff haben“, hatte Carsten Brosda (SPD) Mitte Mai im Kulturjournal Spezial bei NDR 90,3 gesagt. Klar ist damit: Partys sind erstmal noch eine ganze Weile tabu.
Corona-Partys in Hamburg – Akzeptanz lässt nach
Dabei würde man die Probleme mit neuen Formaten lösen können – da sind sich die Betreiber sicher. „Es gibt natürlich Ideen, wie man eine Wiedereröffnung umsetzen könnte, aber wir sind nicht in der Position das zu entscheiden. Am Ende wird es Vorgaben geben, an die wir uns halten müssen und wollen“ sagt Daniel Höötmann, 1. Vorsitzender des Astra Stube Musikkultur e.V.
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Doch nicht nur unter den Clubbesitzern macht sich Verständnislosigkeit breit: Allmählich etablieren sich in Hamburg vereinzelt auch Corona-Partys. „Wenn der Ausgleich durch Feiern, Musik und nettem Beisammensein nicht da ist, wird das auf Dauer so nicht funktionieren. Corona-Partys sind ja mittlerweile Realität geworden. Die Leute halten es nicht mehr aus und raven dann eben zu Hause. Da könnten wir für Entlastung sorgen“, so Mohr.
„Jeder Tag später auf durch Corona ist ein Tag näher dran an dem Brückenabriss“
Finanziell sind die Clubs vorerst durch den Rettungsschirm abgesichert – doch wie es danach weitergehen soll, bleibt unklar. „Die Leute denken irgendwie immer noch, wir scheffeln Geld und haben einen Porsche zuhause rumstehen. Wenn wir den Schutzschirm nicht hätten, wären wir jetzt insolvent“, sagt der Astrastuben-Chef. Und auch Mohr ist froh, wenn sie am Ende des Monats alle Gehälter auszahlen kann.
Wo es möglich war, wurde Kurzarbeit angemeldet, doch unter die Mitarbeiter fallen auch viele Studierende, für die es keine Fördermöglichkeiten gibt. Viele hätten sich bereits andere Jobs gesucht. Und allmählich sitzt den Betreibern auch wegen eines ganz anderen Themas die Zeit im Nacken. Funk sagt: „Jeder Tag später auf durch Corona ist ein Tag näher dran an der Brückensanierung.“
Sternbrücke ist auch Teil eines kulturellen Zentrums
Und der wird immer konkreter: Die Deutsche Bahn sieht in ihrem Entwurf eine gigantische Stabbogenbrücke vor, welche das alte Bauwerk ersetzen soll. Dafür hagelte es Kritik von allen Seiten – inzwischen stellen sich auch die Bezirkspolitiker in Altona auf die Seite der Initiative Sternbrücke und fordern eine Neuplanung.
Das Planfeststellungsverfahren steht noch aus – und jetzt heißt es: Abwarten. Eine denkbare Lösung, womit die Sternbrücken-Clubs an ihren jetzigen Standorten bleiben könnten, wäre wünschenswert.
„Für mich stellt sich inzwischen die Frage, was am schlimmsten ist: Der Stillstand, der Rückschritt oder das Wissen, dass wir vielleicht bald weg sind“, so der Fundbureau-Chef.
Bei der Sternbrücke geht es um mehr als ein denkmalgeschütztes Bauwerk, denn die Gegend ist auch ein kulturelles Zentrum und ein Treffpunkt für gleichgesinnte Menschen. Die Clubs sind ebenso aufeinander angewiesen wie die umliegenden Kioske, Imbissbuden und Restaurants. Sie alle gehören zusammen, das eine würde ohne das andere womöglich nicht existieren. „Zum Stadtbild gehört nicht nur die denkmalgeschützte Brücke, sondern auch das Leben drum herum“, sagt Mohr.
Clubbetreiber fühlen sich vom Bezirk im Stich gelassen
Inzwischen seien die Betroffenen seit gut anderthalb Jahren mit der Bahn in einem engeren Austausch. Es werde versucht, Ausweichmöglichkeiten zu finden und gemeinsam mit den Clubs ein Konzept zu erarbeiten.
„Die Bahn ist wirklich bemüht, was wir vom Bezirk nicht behaupten können. Wir fühlen uns da schon im Stich gelassen.“ Es gäbe seitens der Bahn diverse Vorschläge für alternative Standorte, aber bisher habe der Bezirk alle Anträge abgelehnt.
Video: Im Stil der Fehmarnsundbrücke: Sternbrücken-Pläne vorgestellt
Zurzeit sind die Clubbetreiber vor allem mit Umbauarbeiten und mit der Frage beschäftigt, wie die finanzielle Krise überwunden werden kann. Eigentlich habe niemand wirklich den Kopf dafür, sich zurzeit auch noch mit den Abrissplänen auseinanderzusetzen.
„Ich denke gar nicht über den möglichen Abriss nach. Mir macht das aktuell keine Angst, denn wir müssen ohnehin abwarten, bis die Bahn etwas sagt. Momentan ist es für mich wichtiger, Lösungen dafür zu finden, damit wir bald nicht schließen müssen, weil wir kein Geld mehr haben“, so Höötmann.
Entwürfe für Hamburg: Wie soll die Sternbrücke aussehen?
Und was wünschen sich die Clubbetreiber für eine Lösung für die Sternbrücke? Niemand wolle die gigantische Stabbogenbrücke, die die Bahn entworfen hat, sagt Funk. Die Lösung müsse vor allem auch städtebaulich passen und anwohnerverträglich sein. Er würde sich außerdem darüber freuen, wenn die Straße wieder zweispurig wird und die Fahrradwege wieder attraktiver.
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Für Höötmann ist klar: „Am besten wäre es, die Sternbrücke einfach so zu lassen wie sie ist.“ Für Mohr ist die Renovierung allerdings schwer umsetzbar: Die günstigste Variante würde bedeutet, dass das Fundbureau und der Waagenbau zugeschüttet werden müssten, die Clubs zu retten würde Unsummen viel teurer sein. Wie es weitergeht, bleibt also weiterhin abzuwarten.