„Sturm auf Berlin“: Querdenker drohen mit Chaos – Richter kippen Demo-Verbot
Michael Ballweg, Initiator von „Querdenken 711″.
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Schlappe für die Hauptstadt-Polizei: Das Berliner Verwaltungsgericht hat das Verbot der für Samstag geplanten „Querdenker“-Demo aufgehoben. Zuvor hatte die Versammlungsbehörde die Demonstration aus Infektionsschutzgründen untersagt. Die MOPO erklärt, was Berlin am Samstag erwartet – und warum die Situation so brisant ist.
Das Verwaltungsgericht Berlin sieht keine Voraussetzungen für ein Verbot der „Versammlung für die Freiheit“. Der Anmelder habe 900 Ordner und hundert Deeskalationsteams bereitgestellt. Damit habe er „hinreichende Vorkehrungen“ getroffen, um entsprechend auf die Versammlungsteilnehmer einzuwirken, heißt es in der Begründung des Gerichts. Außerdem gehe aus dem Demo-Konzept nicht hervor, dass die angemeldeten 22.500 Menschen das Corona-Abstandsgebot „bewusst missachten“ werden.
Berliner Verwaltungsgericht: Das sind die Auflagen
Die Veranstalter müssen nur den Standort der Hauptbühne etwas verschieben, um Platz zu schaffen und durch regelmäßige Lautsprecherdurchsagen und Ordner sicherstellen, dass der Mindestabstand immer eingehalten wird. Eine Maskenpflicht gehört nicht zu den Auflagen.
Richter kippen Demo-Verbot: So reagiert die Polizei
Die Berliner Polizei legte sofort Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ein, wie ein Gerichtssprecher sagte. Sollte auch das OVG den Veranstaltern Recht geben, hätte die Polizei keine Möglichkeit mehr für einen Einspruch. Wenn die Anmelder der Demonstration in der zweiten Instanz jedoch verlieren, könnten sie als letzte Möglichkeit noch das Bundesverfassungsgericht anrufen.
Das wollen die „Querdenker“
Vor allem geht es den Teilnehmern um ihre persönliche Freiheit – von den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie fühlen sie sich eingeschränkt. Für die Demo sind 17.000 Teilnehmer angemeldet, die anschließende Kundgebung auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor soll 22.500 Teilnehmer umfassen.
Angemeldet wurde sie von der Stuttgarter Initiative „Querdenken 711″, die der IT-Unternehmer Michael Ballweg gegründet hat. Eines der Ziele sind Neuwahlen.
„Querdenker“-Demo in Berlin: Darum wurde sie verboten
Bei dem zu erwartenden Teilnehmerkreis sei mit Verstößen gegen die geltende Infektionsschutzverordnung zu rechnen, hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) das Verbot am Mittwoch begründet. Die Versammlungen am 1. August hätten gezeigt, dass die Teilnehmer sich bewusst über Hygieneregeln und entsprechende Auflagen hinweggesetzt hätten. Geisel kündigte ein konsequentes Vorgehen der Polizei an, falls es erneut zu großen Menschenansammlungen kommen sollte.
Berlin: „Kein Platz für Corona-Leugner und Rechte“
„Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird“, so Geisel. Besonnen war diese Aussage nicht gerade: Kritiker konnten dem Innensenator nun vorwerfen, die Demo aus rein politischen Gründen verbieten zu wollen, was natürlich rechtswidrig wäre.
Tatsächlich finden sich bei den „Querdenker“-Demos zahlreiche Teilnehmer aus der rechten Szene. Auch für die Demo am Samstag machten entsprechende Gruppierungen und Parteien schon im Vorfeld mobil.
„Sturm auf Berlin“: Querdenker drohen mit Chaos
In den sozialen Netzwerken war gar vom „Sturm auf Berlin“ die Rede, eine Ausdrucksweise, die an den „Marsch auf Berlin“ der Nazis erinnern soll. Die Lage spitzte sich zu: „Die Drohungen, die seit dem Verbot hier eingegangen sind, sind zu massiv. Das übersteigt in Menge und Aggressivität alles, was ich bisher erlebt habe“, so Geisel zur „Süddeutschen Zeitung“. Bei der Berliner Polizei gingen tausende weitere Anmeldungen für Ersatzdemonstrationen ein, die sich über das Portal der Versammlungsbehörde formlos und schnell erledigen lassen.
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Auch Linke Gruppen und Initiativen haben ihre Anhänger mobilisiert: Die Protestkundgebung „Solidarität! Kein Schulterschluss mit Nazis“ musste bereits verlegt werden. Im Vorfeld habe es Drohungen von Nazis und „Querdenkern“ gegeben, die Kundgebung zu überfallen.