Tipps vom HSV-Mannschaftsarzt: So stärken Sie jetzt Ihr Immunsystem gegen Corona
Die Impfungen gegen das Coronavirus schreiten nur langsam voran. Für die meisten Menschen heißt es derzeit: Warten. Aber das bedeutet nicht, dass man in der Zeit nichts für seine Gesundheit tun kann. HSV-Mannschaftsarzt Dr. Wolfgang Schillings erklärt im Gespräch mit der MOPO, warum es gerade jetzt so wichtig ist, sein Immunsystem zu stärken und hat hilfreiche Tipps parat.
MOPO: Warum ist unser Immunsystem zurzeit besonders gefordert?
Dr. Wolfgang Schillings: Nicht allein das Virus bestimmt über den Verlauf der Krankheit, sondern es trifft derzeit bei vielen auf ein geschwächtes Immunsystem. Man hat es ein Stück weit selbst in der Hand, sollte man sich infizieren, wie schwer die Krankheit verläuft. Wir sollten deshalb nicht passiv auf die Impfung warten, sondern aufstehen und etwas tun. Ich vermisse gerade die klare Aufforderung: Bewegt euch und tut etwas für euer Immunsystem!
Der Lockdown mit Home Office und Co. ist da wahrscheinlich besonders kontraproduktiv oder?
Vielerorts gibt es das Gefühl, dass wir derzeit durch die Vorgaben und Maßnahmen etwas zur Passivität genötigt sind. Doch es ist umso wichtiger im Kontrast zur sitzenden Tätigkeit den Kreislauf in Schwung zu bringen. Das ist natürlich nicht nur in Zeiten der Pandemie sinnvoll – aber jetzt ist es eben besonders wichtig, etwas für sein Abwehrsystem zu tun.
Was bewerten Sie denn die Maßnahmen der Politik: Ist die Schließung der Fitnessstudios beispielsweise Ihrer Meinung nach noch gerechtfertigt?
Der Lockdown hat seine Berechtigung, aber es gilt abzuwägen, wann der Zeitpunkt überschritten ist, an dem der Schaden den Nutzen überwiegt. Die Auswirkungen einer bewegungslosen Gesellschaft werden sich langsam zeigen. Insgesamt herrscht doch aktuell eine eher sportfeindliche Atmosphäre und aktive Menschen werden als Virus-Schleudern stigmatisiert.
Das geht los bei Skifahrern, über Kinder auf dem Bolzplatz bis hin zu Joggern, die häufig angepöbelt werden. Wenn Fitnessketten mithilfe eines Arztes ein Konzept auf die Beine stellen, wie man unter pandemiegerechten Bedingungen an der frischen Luft trainieren kann, ist das eine super Sache. Die Hygienekonzepte müssen natürlich stimmig sein und greifen, klar. Doch Lösungsansätze im Keim zu ersticken – das geht in die komplett falsche Richtung.
Gerade die Angst vor Joggern, die nicht genügend Abstand halten, ist groß. Wie hoch schätzen Sie die Gefahr der Ansteckung ein?
Dazu gibt es ja bereits Einschätzungen von Virologen, aber die Leute haben immer noch Angst, weil sie nicht ausreichend informiert sind. Ich habe mal eine Rechnung aufgestellt: Im Moment haben wir 4200 aktive Corona-Fälle in Hamburg. Sagen wir, jeder Zweite ist sportlich aktiv, dann ist die Wahrscheinlichkeit bei knapp 1,9 Millionen Einwohnern, dass ein Spaziergänger auf einen infizierten Jogger trifft, bei 1:850. Demnach müsste der Spaziergänger an 850 Joggern vorbeilaufen, bis ein Infizierter dabei ist.
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Natürlich ist das nur ein theoretisches Konstrukt. Hinzu kommt, dass positiv Getestete in Quarantäne sind. Und beim Vorbeilaufen mit ein bis zwei Atemvorgängen reicht die Viruslast auch nicht aus, um jemanden anzustecken. Das Bild, dass Jogger Superspreader sind, sollte dringend revidiert werden.
Was kann man denn konkret tun, um sein Immunsystem zu stärken?
Erstmal sollte alles, was das Immunsystem schwächt, vermieden werden: Das Rauchen möglichst einstellen, nicht übermäßig viel Alkohol konsumieren, auf Fast Food und Süßigkeiten verzichten und Stress reduzieren. Das ist natürlich immer leichter gesagt als getan, aber es gibt Strategien: Meditation, Yoga, Achtsamkeitstraining – was dem Einzelnen am besten hilft, ist ganz individuell.
Auf der anderen Seite muss das Immunsystem aktiv gestärkt werden. Dazu gehören Sport und regelmäßige Bewegung und gesundes Essen: also wenig Fleisch und viel Obst und Gemüse, in besonders belastenden Zeiten und zur kalten Jahreszeit empfehle ich auch Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin C und D, Zink und Selen. Auch ausreichend Schlaf ist wichtig: Der Durchschnitt liegt bei sieben bis acht Stunden pro Nacht. Der muss aber auch erholsam sein: Es ist ungünstig, wenn man vor dem Schlafengehen noch an der Konsole rumdaddelt oder aufwühlende Anrufe führt.
Wie viel und welche Art von Bewegung empfehlen Sie?
Das hängt sehr von der sportlichen Vita ab, da jeder andere Voraussetzungen hat. Aber die grundsätzliche Empfehlung von 10.000 Schritten pro Tag ist gut, sofern man die bewältigen kann. Viel besser aber wäre regelmäßig betriebener Sport: Drei bis viermal die Woche für mindestens 45 Minuten, um das Herz-Kreislaufsystem in Bewegung zu bringen und ins Schwitzen zu kommen.
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Ohne regelmäßige sportliche Betätigung können die Folgen gefährlich sein: Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck sind alle schon vorher da gewesen, werden aber durch die Bewegungsverarmung verschärft. Und Joggen ist ja auch nicht für jeden was. Je länger diverser Sport verboten wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die gesundheitlichen Probleme der Menschen enorm zunehmen werden.