„Widerstand 2020“: Corona-Verbotsgegner: So gefährlich ist die neue „Partei“
Die Corona-Krise hat Deutschland zum Handeln gezwungen. Um Leben zu schützen wurden Schulen und Geschäfte geschlossen, Kontaktverbote und Maskenpflichten verhängt. Gegner dieser Maßnahmen formieren sich jetzt in einer selbst ernannten Partei – die mit Populismus und gefährlichen Botschaften auch in Hamburg Fuß fassen will.
Gemeint ist die Gruppierung „Widerstand 2020“, die sich den Protest Tausender Menschen in Deutschland zu Nutze machen will. Immer wieder fanden in den vergangenen Wochen – trotz Lockerungen – Demonstrationen gegen die Einschränkungen von Grundrechten statt, die neue Gruppierung ist jetzt so etwas wie die zentrale Anlaufstelle für all jene, die sich gegen die Corona-Verbote stellen.
Widerstand 2020: Initiatorin kommt aus Niedersachsen
Initiatorin von „Widerstand 2020“ ist Victoria Hamm aus der Nähe von Hannover, die sich nach eigenen Angaben angesichts der Corona-Maßnahmen machtlos gefühlt habe und Widerstand leisten wolle, wie es auf der Internetseite heißt. Und das, was dort, aber auch auf deren Facebook-Auftritt steht, wird von Experten höchst kritisch beäugt.
„Vor kurzem sagte ich noch: bisher haben die Unzufriedenen und Frustrierten, Verschwörungserzähler, Esoteriker, Impfgegner, Antisemiten und Rechtsradikale hierzulande kein Kollektiv gebildet und daher sei die Gefahr überschaubar. Mit „Widerstand2020″ ändert sich das nun“, so Extremismusforscher Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZV) in Jena.
Corona-Verbotsgegner: Populismus bei Widerstand 2020
„Widerstand2020“ halte er „nicht per se für rechts“. Aber es würde stark in rechten Kanälen beworben; rechte Narrative und Akteure seien sehr präsent und würden versuchen das zu vereinnahmen, sagt er. Kai-Uwe Schnapp, Politik-Professor an der Universität Hamburg, sieht derweil Parallelen zur Alternative für Deutschland.
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„Diese Gruppierung fährt eine populistische Schiene nach dem gleichen Muster wie die AfD“, sagt er zur MOPO. Wie populistische Parteien würde sich „Widerstand2020“ gegen die vermeintlich abgehobenen Eliten richten
So stehen auf der „Widerstand2020“-Homepage Sätze wie „Politiker fernab von der normalen Bevölkerung hatten wir genug“ und „Unsere Vision (…) ist eine echte Veränderung im System“. Die Gruppierung, sie sieht sich selbst als „Mitmach-Partei“, die eine „wahrhaftige Demokratie“ anstrebt.
Widerstand 2020 plant Notstandsparlament
Wie das aussehen könnte, schildert der Rechtsanwalt Ralf Ludwig – neben Victoria Hamm eines von zwei weiteren Mitgliedern im „Parteivorstand“. Er schreibt, dass es „keinerlei Kontrollinstanzen mehr gibt. Verfassungsgerichte handeln entgegen unseren Rechten, Politiker entscheiden willkürlich“.
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Die Abgeordneten des Bundestags sollen durch ein Notstandsparlament aus 700 Menschen ersetzt werden, die in den vergangenen fünf Jahren nicht in der Politik tätig waren. „Damit würde ‚Widerstand2020‘ die Demokratie und das Grundgesetz aber nicht retten, sondern abschaffen“, urteilt Kai-Uwe Schnapp.
Corona: 100.000 Mitglieder bei „Widerstand 2020“?
Vielen Menschen ist das aber offenbar nicht bewusst. Nach eigenen Angaben hat die selbst ernannte Partei bereits mehr als 100.000 Mitglieder – das wären mehr als FDP, Linke oder AfD jeweils hätten. Kann das sein? Die Gruppierung beschwört die Echtheit, verweist darauf, dass es allein an einem Tag 27.000 Aufrufe für die Mitglied-werden-Seite gegeben habe. Kai Uwe-Schnapp bezweifelt das.
„Es ist ganz offensichtlich, wie es funktioniert. Sobald ich auf die Seite klicke, wo ich Mitglied werden könnte, werde ich auch als Mitglied gezählt“, sagt er. Ein Beleg dafür ist eine Facebook-Gruppe, die ausschließlich für eingetragene Mitglieder zugänglich ist – und die verzeichnete am Dienstagmittag lediglich 4251 Mitglieder.
Corona: „Widerstand 2020“ ist keine richtige Partei
Und eine echte Partei ist „Widerstand2020“ offenbar auch nicht. „Um eine Partei zu sein, braucht man ein Mindestmaß an politischem Programm“, sagte die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger im ZDF. Das wird derzeit jedoch erst entwickelt. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Parteieigenschaft damit ausgeschlossen“, so Schönberger im ZDF.
Dennoch plant „Widerstand2020“ bereits mit eigenständigen Landesverbänden, will auch bei der kommenden Bundestagswahl antreten. Auch in Hamburg soll ein Landesverband gegründet werden, das ist offenbar aber noch nicht geschehen. Dafür hat die Gruppierung offenbar bei einigen Corona- und Grundrechts-Protesten in unserer Stadt im Hintergrund mitgewirkt. „Bisher ist diese Gruppierung kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, nichtsdestotrotz behalten wir die Instrumentalisierung der Corona-Pandemie durch Extremisten aufmerksam im Fokus“, heißt es vom Hamburger Verfassungsschutz.
Corona-Verbotsgegner: HNO-Arzt ist Aushängeschild
Im Fokus der Anhänger ist derweil auch Bodo Schiffmann, der dritte „Parteivorstand“ im Bunde. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt aus Baden-Württemberg betreibt eine Schwindelambulanz und bekommt mit seinen „Corona-Videos“ auf Youtube regelmäßig mehr als 100.000 Aufrufe. Das Virus sei nicht so schlimm, die Maßnahmen der Politik überzogen und im Zweifel einem düsteren Plan folgend.
„Manche sagen, Bill Gates habe uns finanziert. Das finde ich bei allen Vorschlägen den Lustigsten. Der wäre der erste, der seine eigenen Gegner finanziert“, sagt Schiffmann in einem seiner Videos. Zur Erinnerung: Die Corona-Krise wird von Verschwörungstheoretikern als Komplott von reichen Menschen wie Bill Gates dargestellt.
Apropos Verschwörung: Seit Tagen ist der Internetauftritt von „Widerstand2020“ immer wieder nicht erreichbar. Stattdessen taucht dort ein Fenster mit der Überschrift „Wir werden angegriffen“ auf. Ob wirklich eine Hacker-Attacke dahintersteckt oder die Seite einfach nur heillos überlastet ist, ist nicht bekannt.