„Fast schon Nötigung“: Bauern-Proteste von Rechten und „Querdenkern“ unterwandert
Berlin –
Skurrile Allianz: Unter die Bauernproteste für eine neue Landwirtschaftspolitik haben sich zunehmend Corona-Leugner gemischt. Und auch Rechte wittern Morgenluft. Viele Landwirte sind entsetzt – andere sympathisieren mit Schwurblern und Extremisten.
Nachdem Bauern in den vergangenen Wochen Zentrallager großer Lebensmittelhändler blockiert hatten, demonstrieren sie nun seit fast zwei Wochen in Berlin. Auf ihren Traktoren fordern sie eine Kursänderung in der Landwirtschaftspolitik – namentlich Regelungen für kostendeckende Preise und mehr heimische Nahrungsmittel im Handel sowie Corona- und Schweinepest-Hilfen.
Corona-Krise: Bundesweite Autokorsos von Schutzmaßnahmen-Gegnern
Mittlerweile werden die Veranstaltungen jedoch immer häufiger von einer anderen Gruppe ausgenutzt: von Gegnern der Corona-Maßnahmen. In Berlin „solidarisierten“ die sich mit den Landwirten – woraufhin einem Redner der Kragen platzte. Der Mann, ein Schäfer, forderte die „Querdenker“ auf, sich aus dem Kampf der Bauern rauszuhalten: „Das, was die mit uns machen, ist schon fast Nötigung.“ Die Maßnahmen-Gegner würden suggerieren, dass sie sich mit den Bauern solidarisieren müssten. „Aber das müssen sie nicht“, so der Landwirt. „Und wir möchten auch nicht von denen geläutert werden.“
Auch in Mannheim wird protestiert. Dort kamen am Samstag auf einem Parkplatz nach Polizei-Angaben rund 1200 Menschen in etwa 600 Fahrzeugen zu einer nicht angemeldeten Demonstration zusammen. Nachdem diese nach einer Verfügung der Versammlungsbehörde der Stadt Mannheim aufgelöst wurde, kam es zu weiteren kleineren Autokorsos in der Stadt, die ebenfalls unterbunden werden mussten. Die Polizei musste zu einem Großeinsatz ausrücken und erstattete mindestens eine zweistellige Zahl von Anzeigen.
Massives Polizeiaufgebot bei Anti-Corona-Demos
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete von einem Autokorso am Freitag im bayrischen Unterschleißheim mit etwa 90 Teilnehmern, die unter anderem für offene Kitas und Schulen demonstrierten. Die Maskenpflicht für Insassen aus verschiedenen Haushalten innerhalb eines Autos sei ignoriert worden. Auch hier sei die Polizei mit einem „massiven Aufgebot“ zur Stelle gewesen. In den sozialen Medien kursieren auf regierungskritischen Seiten Aufnahmen solcher Autokorsos aus weiteren deutschen Städten wie München, Düsseldorf, Stuttgart, Hannover. Und Berlin.
Bauerndemos in Berlin: „Wir werden von Corona-Leugnern instrumentalisiert!“
Die Bauern fühlten sich von den Lockdown-Gegnern instrumentalisiert – und gestört. „Viele Landwirte haben ihre Teilnahme abgesagt wegen denen“, berichtet in Berlin der Schäfer. Zudem bringe man die Bauern deshalb mit der politischen Rechten in Verbindung – die schwarze Flagge eines Kollegen sei „als rechts gedeutet“ worden, was „totaler Quatsch“ sei. „Ihr macht unseren Kampf kaputt und zerstört jetzt unsere Höfe“, so der Landwirt.
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Ganz von der Hand zu weisen ist die Nutzung von rechtsextremen Symbolen durch die Bauern aber nicht. Die schwarze Flagge mit dem weißem Pflug und dem roten Schwert, von der der Schäfer spricht, ist ein Zeichen der sogenannten „Landvolk“-Bewegung und war laut dem „Tagesspiegel“ auch auf Kappen und Schutzmasken der Bauern zu sehen. Die Bewegung entstand im Zusammenhang mit der Agrarkrise der späten Zwanziger Jahre in Schleswig-Holstein und gilt als antisemitisch und antiparlamentarisch sowie völkisch-nationalistisch. Historiker sehen die Bewegung als Wegbereiter für den Erfolg der NSDAP.
Rechtsextreme Symbole bei deutschen Landwirten
Die Grenzen zwischen Querdenkern, Rechtsextremen und Bauern verschwimmen auf Veranstaltungen wie der in Berlin. Viele Landwirte bangen aber schlicht um ihre Existenz – ohne dabei irre Ideologien zu unterstützen. Sie erfahren im Netz viel Solidarität. „Gibt es eine Möglichkeit, an die Bauern zu spenden, die sich von den Querköpfen distanzieren?“, fragt ein Twitter-Nutzer. „Sogenannte Querdenker, die eh nur Schrägdenker sind, zerstören Existenzen“, schreibt ein anderer.