Kommentar zu Organspenden: Der Widerspruch birgt eine grundlegende Gefahr
Berlin –
Organspenden bleiben in Deutschland weiterhin nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Der Bundestag lehnte am Donnerstag einen Vorstoß von Jens Spahn (CDU) ab, dieses Prinzip umzukehren. Er hatte eine „doppelte Widerspruchslösung” vorgeschlagen, wonach künftig jeder als Spender gelten sollte – außer man widerspricht. Diese Lösung ist zwar gut gemeint, verletzt aber das Selbstbestimmungsrecht der Menschen, kommentiert Tobias Peter.
Als ich 18 Jahre alt geworden bin, habe ich mir einen Organspendeausweis besorgt. Für mich war immer klar: Ich möchte mit meinen Organen das Leben anderer retten, falls ich durch einen Autounfall sterben sollte. Ich wollte auch meinen Angehörigen für den Ernstfall ein klares Zeichen hinterlassen. Keiner sollte sich mit der Frage quälen, wie ich mich entschieden hätte.
Das Ziel, die Zahl der Spender zu erhöhen, ist im Interesse aller, die ein Organ brauchen, richtig. Dennoch halte ich die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und anderen Abgeordneten vorgeschlagene Widerspruchslösung für falsch. Sie sieht vor, dass Organe immer dann entnommen werden dürfen, wenn der Betroffene nicht rechtzeitig aktiv widersprochen hat. Das ist im Sinne der Kranken gut gemeint. Am Ende geht es aber zu weit.
Es gibt kaum eine persönlichere Frage
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es im Grundgesetz. Das muss auch für den sterbenden und gerade gestorbenen Menschen gelten. Es gibt kaum etwas Persönlicheres als die Frage, ob jemand bereit ist, sich Organe entnehmen zu lassen. Und dennoch soll der Staat festlegen, dass Ärzte dies bereits tun dürfen, wenn ein Mensch nicht ausdrücklich Nein gesagt hat? Das ist ein zu großer Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen.
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gehört untrennbar zur Menschenwürde dazu. Der Körper gehört dem Menschen, nicht dem Staat. Für einige sind religiöse Fragen berührt. Das Argument, es habe ja jeder die Möglichkeit zum Widerspruch, greift zu kurz. Kann ein so großer Eingriff in die Rechte eines Menschen wie eine Organentnahme zulässig sein, nur weil jemand es versäumt hat, ein Formular auszufüllen? Haben Menschen nicht auch ein Recht darauf, mit einer solchen Entscheidung zu hadern, sie nicht umgehend zu treffen?
Die Gefahr des Vertrauensverlustes
Das Leid derer, die auf ein Organ warten, ist groß. Das ist ein gewichtiges Argument für mehr Organspenden, aber nicht unbedingt für die Widerspruchslösung. Durch sie kann im schlechtesten Fall der Eindruck entstehen, es werde die Tatsache ausgenutzt, dass Menschen unangenehme Themen lieber verdrängen. Die Gefahr ist, dass das Vertrauen in die Organspende und zu Ärzten beschädigt wird. Eine Organspende ist nur dann eine Spende, wenn sie freiwillig ist.
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Die bessere Lösung ist, die Menschen regelmäßig mit der Frage zu konfrontieren, ob sie zur Organspende bereit sind. Dafür reicht ein Brief der Krankenkasse nicht aus. Für eine echte Entscheidungslösung müssen die Menschen beim Arzt informiert und etwa beim Beantragen eines neuen Ausweises befragt werden. Hier brauchen wir größere Anstrengungen als bisher – damit wir mehr Menschen mit einem Spenderorgan helfen können. (RND)