MOPO-Reporter im Flüchtlingslager Kara Tepe: Lesbos: Kindheit hinter Zäunen
Kara Tepe –
Viele der Kinder in Kara Tepe kennen nur das Leben auf der Flucht. Sie leben auf engstem Raum in Zelten, umgeben von Fremden. Journalisten dürfen das Lager nicht betreten. MOPO-Reporter Hami Roshan ist dennoch auf die griechische Insel Lesbos gereist und hat es ins Camp geschafft. Er hat gesehen, was abgeschottet werden soll. Er hat mit den Geflüchteten gesprochen, die hier unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und Kinder großziehen müssen.
Er blickt mich unverwandt an. Elias (4) trägt eine selbstgebastelte Kette aus grünem Band um den Hals. Doch nicht das kindliche Accessoire fesselt meinen Blick: Unter seinen Augen, an Nase und Ohren hat er viele kleine Wunden.
Eine Hautkrankheit als Folge der schlechten Bedingungen im Flüchtlingslager Kara Tepe. Doch es ist nicht der einzige Hinweis auf seine Kindheit zwischen Zeltplanen und Zäunen.
Flüchtlingslager auf Lesbos: 8000 Menschen leben unter unwürdigen Bedingungen
Wie jedem Kind im Lager stelle ich auch Elias die Frage: „Was wünschst du dir?“ Doch er versteht die Frage nicht – wie die meisten Kinder im Lager.
Seit das Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos abgebrannt ist, lebt der kleine Junge mit seinen Eltern und Geschwistern in Kara Tepe. Ungefähr 8000 Geflüchtete leben hier in der abgeschotteten Zeltstadt. Es ist mein zweiter Besuch vor Ort.
Kara Tepe: Überall patrouillieren Polizisten, Soldaten und Zivilbeamte
Kara Tepe gleicht mittlerweile einem Gefängnis: Überall patrouillieren Polizisten, Soldaten und Zivilbeamte. Um in das Lager zu kommen, muss ich zunächst eine Lücke im Sicherheitssystem finden.
Schließlich schaffe ich es, unbemerkt in das Zeltlager zu kommen. Ich suche als Erstes die Familien auf, die ich von meinem letzten Besuch bereits kenne.
Lesbos: Ausgang aus dem Lager nur noch zweimal die Woche
Sie erzählen mir von den verschärften Maßnahmen – angeblich wegen der Corona-Pandemie. So darf pro Familie nur noch eine Person zweimal in der Woche das Lager verlassen, um einen Arzt aufzusuchen oder Essen zu besorgen.
Wann man raus darf, bestimmt eine Nummer, die einem Tag zugeordnet wird. Auch das Geld wurde ihnen gekürzt. Viele wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen.
Die Geflüchteten organisieren sich: Immer bleibt jemand bei den Kindern. Es ist zu gefährlich, sie alleine zurückzulassen. Viele von ihnen haben bereits Gewalt erfahren, sind apathisch oder depressiv.
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Während ich die Kinder fotografiere, bekomme ich doch noch eine Antwort: „Ich möchte Polizist sein“, sagen mir einige. Ein Wunsch, der viel über die Lebensrealität der Kinder aussagt: Die Polizisten haben die Macht an diesem unwürdigen Ort – und sie können sich frei bewegen.