„Sie wird größer sein“: Wo bereits die Furcht vor der vierten Corona-Welle wächst
Besorgt: Osakas Gouverneur Yoshimura Hirofumi
Foto: picture alliance/dpa/Kyodo News
Osaka/Tokio –
Während Europa gerade mit voller Wucht von der dritten Welle der Corona-Pandemie überrollt wird, ist Japan einen traurigen Schritt weiter. Hier nimmt gerade die vierte Welle an Fahrt auf. Experten fürchten: Sie könnte größer als alle vorherigen werden – auch, weil Impfungen womöglich nicht helfen.
Gut 100 Tage sind es noch, bis in Tokio die Olympischen Sommerspiele starten. Wegen Corona wurden sie von 2020 auf dieses Jahr verschoben – und sollen trotz aller Bedenken in jedem Fall stattfinden, wenn auch ohne ausländische Zuschauer. Allerdings: Ein neuer Anstieg der Corona-Zahlen bereitet den Behörden große Sorgen.
Corona-Mutation grassiert vor allem in Osaka und Umgebung
„Die Situation in Osaka macht uns besonders Angst“, sagte Japans Impf-Minister Taro Kono jüngst dem US-Sender CNBC. In der 8,8 Millionen Einwohner-Präfektur im Süden der Hauptinsel wurden am Mittwoch 878 neue Corona-Fälle binnen 24 Stunden gemeldet – was Gouverneur Yoshimura Hirofumi veranlasste, sofort den medizinischen Notstand auszurufen. Nie zuvor waren in Osaka derart hohe Werte registriert worden.
Deshalb gelten nun strengere Regeln: „Ich möchte alle Einwohner bitten, auf das unnötige Verlassen ihrer Wohnungen zu verzichten“, appellierte Hirofumi auf einer Pressekonferenz. „Das Gesundheitssystem ist in einer sehr angespannten Situation“. Clubs, Bars und Restaurants müssen nun um 20 Uhr schließen, für Gäste und Angestellte gilt Maskenpflicht – außer beim Essen und Trinken. Karakoebars dürfen gar nicht öffnen. Firmen müssen die Präsenz-Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter reduzieren. Auch der olympische Fackellauf in Osaka wurde abgesagt.
Angst vor der vierten Welle in Japan: „Sie wird größer“
Bislang war Japan glimpflich durch die Pandemie gekommen. Einen Lockdown mit Ausgangssperren, geschlossener Gastronomie und Co. wie etwa in Deutschland gab es nie. Knapp 500.000 der gut 126 Millionen Japaner haben sich bisher angesteckt – die mit Abstand meisten während der dritten Welle von November bis Februar. Die Wellen im vergangenen Frühjahr und Sommer verliefen recht flach. Nun rollt aber die vierte Welle – und: „Sie wird größer“, sagte Regierungsberater Koji Wada von der Uni für Gesundheit und Soziales in Tokio zur Nachrichtenagentur Reuters.
Das könnte Sie auch interessieren: Seltener Privatbesuch: Coronagestrandeter Japaner darf ganz allein nach Machu Picchu
Schuld ist eine gefährliche Corona-Mutation namens E484K. Sie wurde zuvor schon bei der britischen und der südafrikanischen Variante festgestellt und „es ist nahezu sicher, dass sie mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit grassiert und hochansteckend ist“, so Gouverneur Yoshimura. Derzeit frisst sich die Japan-Mutation genannte Variante hauptsächlich durch Osaka und Umgebung – doch Offizielle sind alarmiert, dass sie sich bald auch in der Olympia-Stadt Tokio breit macht.
So kommen die hohen Mutationszahlen zustande
Warum aber die hohen Fallzahlen in Osaka? Wie die Zeitung „The Japan Times“ notierte, gibt es bislang noch keine schlüssige Erklärung. Der Infektiologe Yuji Fujikura vermutet, dass der wegen der dritten Welle verhängte Ausnahmezustand mit einschränkenden Maßnahmen in Osaka früher als anderswo aufgehoben worden sei, habe ab 1. März „zu sehr viel mehr Mobilität“ geführt. So habe sich die Mutation schnell ausbreiten können.
Das könnte Sie auch interessieren: Zurück zum „dolce vita“: Wie Italien aus dem Lockdown krabbelt
Zudem führt Osaka im Gegensatz zu anderen Präfekturen laut „Japan Times“ mehr Genomsequenzierungen durch – wodurch Mutationen überhaupt erst entdeckt würden.
Experten mahnen zur Eile beim Impfen
Problematisch ist der Ausbruch vor allem, weil es Hinweise gibt, dass Impfstoffe gegen die Japan-Mutation nicht oder nur wenig wirken. Studien hatten zuvor bereits gezeigt, dass E484K-mutierte Viren gegen Vakzine teils resistent sind. Massimo Andreoni, Direktor der Italienischen Gesellschaft für Infektions- und Tropenkrankheiten, sagte zur Nachrichtenagentur Ansa, angesichts der Situation in Japan „wäre es sinnvoll, ein Flugverbot in Betracht zu ziehen, um die weitere Verbreitung dieser und anderer Varianten zu verhindern.“
Das könnte Sie auch interessieren: „Der Teufel ist schon da“: Neue Corona-Mutanten grassieren in den USA
Ohnehin ist Japan beim Impfen im Vergleich sehr langsam. Laut CNBC sind bislang gerade einmal 1 Prozent der Japaner immunisiert. Dabei wäre das im Kampf gegen die Mutation so wichtig: „Das ist jetzt ein Wettlauf gegen die Zeit“, so Andreoni. „Je mehr das Virus zirkuliert, desto mehr neigt es dazu, sich zu verändern und neue Varianten hervorzubringen. Die einzige Strategie besteht daher darin, die Zirkulation zu blockieren – durch Impfen.“