„Querdenker“: Todeslisten aufgetaucht – Verfassungsschutz hat die Faxen dicke
Berlin/Köln –
Der „Sturm“ auf die Reichstagstreppe, Drohungen gegen Politiker und Wissenschaftlerinnen, zuletzt verletzte Polizist:innen auf Corona-Demos: Teile der „Querdenker“ radikalisieren sich zusehends. Am Mittwoch wurde dann noch bekannt, dass eine „Todesliste“ im Internet kursiert. Sie besteht schlicht aus Namen von Abgeordneten, die mit „Ja“ für das erneuerte Infektionsschutzgesetz gestimmt hatten. Dass der Bundes-Verfassungsschutz am gleichen Tag verkündete, die Bewegung nun bundesweit zu beobachten – ein symbolträchtiger Zufall.
Hätten Innenministerium und Verfassungsschutz nicht schon seit Monaten an einer bundesweiten Beobachtung von Teilen des „Querdenker“-Spektrums gefeilt – diese Liste hätte endgültiger Auslöser sein können. Verbreitet wurde sie über den in rechten Kreisen und bei Verschwörungs-Fans beliebten Messenger-Dienst Telegram. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte die Fraktionen informiert. Über dem Abstimmungs-Ergebnis zur bundesweiten „Notbremse“ steht dort: „Todesliste deutscher Politiker“.
„Corona-Diktatur“, „Merkel-Diktatur“ oder gar „Demokratur“
Spannend in dem Zusammenhang: Ein Vorwurf, der aus „Querdenker“-Kreisen ja häufig kommt: Man lebe in einer Diktatur. Die Vokabeln, die dann fallen, variieren zwischen „Corona-Diktatur“, „Merkel-Diktatur“ oder „Demokratur“, eine Diktatur unter dem Deckmäntelchen der Demokratie gewissermaßen. Dass dann ausgerechnet eine Entscheidung des Parlaments zum Anlass für Attacken auf Polizist:innen und für solch eine „Todesliste“ genommen wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Der Bundes-Verfassungsschutz folgt nun dem Beispiel der Landesämter in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Berlin und beobachtet Teile der Bewegung der Corona-Maßnahmen-Kritiker nun bundesweit. Wobei genau dies betont wird, dass es eben nur um Teile des Spektrums gehe: „Legitime Proteste und Demonstrationen gegen die Coronapolitik werden (…) immer wieder, und in jüngster Zeit zunehmend, instrumentalisiert und Eskalationen provoziert.“
Schulterschluss mit Rechtsradikalen und Reichsbürgern
Die Botschaft dahinter: Man wolle Protest nicht verbieten. Aber: „Unsere demokratische Grundordnung sowie staatliche Einrichtungen“ sähen sich seit Maßnahmen-Beginn „vielfältigen Angriffen ausgesetzt“. Der Schulterschluss mit Rechtsradikalen und Reichsbürgern würde gesucht. Und es werde propagiert, behördliche Anordnungen zu ignorieren. Letztlich würde so „das staatliche Gewaltmonopol negiert“.
Verschwörungsmythen, antisemitische Ressentiments von Attila Hildmann & Co., QAnon-Erzählungen vom „Deep State“ („Tiefer Staat“) werden erwähnt. Da der Protest kaum in bisherige Kategorien passe, wird eine neue für die Bewegung geschaffen: „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“.
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Auch Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich zuletzt zu den „Querdenkern“ geäußert: Er sei für eine rigorose Vorgehensweise des Staates: „Man muss allen Anfängen die Stirn bieten.“ (km)