• Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer auf dem Balkon seines Rathauses.
  • Foto: imago images/ULMER Pressebildagentur

Nach Attacke auf Aogo: „Das Maß ist voll“: Grüne wollen Tübingen-OB Palmer rauswerfen

Tübingen –

Schon länger hegen viele Grüne tiefen Groll gegen den Tübinger OB Boris Palmer. Oft hat er die eigene Parteien mit Provokationen gegen sich aufgebracht. Nun ist das Tischtuch endgültig zerschnitten: Nachdem Palmer auf Facebook mit üblen Aussagen über Ex-HSV-Profi Dennis Aogo für Aufregung sorgte, stimmte seine Partei nun für ein Ausschlussverfahren gegen ihn. 

In einer Diskussion um vermeintliche Cancel Culture schrieb der 48-Jährige am Freitagabend auf seiner Facebook-Seite einen Kommentar über Ex-HSV-Profi Dennis Aogo. Dieser hatte zuvor seinerseits einen Rassismus-Eklat und Vorwürfe der Holocaust-Verharmlosung an den Hacken. Palmer: „Aogo ist ein schlimmer Rassist“. Dann ließ er sich mit Verwendung des N-Wortes über die Genitalien des Fußballers aus.

Für seine Partei zuviel: Die Grünen in Baden-Württemberg wollen ihn nun aus der Partei werfen. Beim Landesparteitag stimmten 161 Delegierte für ein Ausschlussverfahren, 44 dagegen und 8 enthielten sich. 

Grünen-Zoff mit Boris Palmer: „Das Maß ist voll“

Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand sagte über den drohenden Ausschluss Palmers: „Die Zeit ist reif dafür. Denn das Maß ist voll.“ Zuvor hatte er schon erklärt, die Äußerung Palmers über Aogo sei „rassistisch und abstoßend“. Der Tübinger OB sorge mit „inszenierten Tabubrüchen“ für eine Polarisierung der öffentlichen Debatte.

Palmer ließ sich vor der Abstimmung für eine Gegenrede zum Parteitag schalten und erklärte, es handele sich um „haltlose und absurde Vorwürfe“. Hier gehe es darum, abweichende Stimmen zum Verstummen zu bringen. „Daher kann und will ich nicht widerrufen.“ Allerdings empfahl er dem Parteitag, dem Antrag für ein Ausschlussverfahren zuzustimmen. Dann habe er endlich die Gelegenheit, sich gegen die Anwürfe zu verteidigen.

Palmer wurde bereits 2020 zum Austritt aufgefordert

Die Landespartei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahegelegt und ihm ein Ausschlussverfahren angedroht. Schon damals hatte Palmer mehrfach mit provokativen Äußerungen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten. „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, sagte er in einem Interview.

Ex-HSV-Profi Dennis Aogo, der von 2008 bis 2013 für die Rothosen kickte.

Ex-HSV-Profi Dennis Aogo, der von 2008 bis 2013 für die Rothosen kickte.

Foto:

WITTERS

Aktuell geht es um eine Diskussion mit Facebook-Nutzern, bei der Palmer am Freitag einen rassistischen und sexualisierten Begriff aus einem Aogo zugeschriebenen Zitat wiederholte und kommentierte, offensichtlich ironisch: „Der Aogo ist ein schlimmer Rassist.“ Zur Begründung verwies er auf einen nicht-verifizierten Facebook-Kommentar, in dem ohne jeden Beleg behauptet worden war, Aogo habe für sich selbst das N-Wort benutzt. Mit dem Begriff N-Wort wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.

Palmer selbst sagte am Samstag, auch er habe Zweifel an der Echtheit des von ihm zitierten Kommentars gehabt. „Mir war natürlich klar, dass es sich bei den Facebook-Vorwürfen gegen Aogo, auf die ich angespielt habe, sehr wahrscheinlich um ein Fake handelt“, sagte er zur „Bild“. „Mein Kommentar war ein erkennbar völlig grotesker und irrer Rassismusvorwurf gegen Aogo.“ Er habe mit seine „ironischen“ Äußerung zeigen wollen, dass man jedem einen solchen Vorwurf machen könne, egal wie konstruiert dieser sei.

Annalena Baerbock: „Sich nachträglich auf Ironie zu berufen, macht es nicht ungeschehen“

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erklärte am Samstagvormittag: „Die Äußerung von Boris #Palmer ist rassistisch und abstoßend. Sich nachträglich auf Ironie zu berufen, macht es nicht ungeschehen. Das Ganze reiht sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzen und verletzen. Boris Palmer hat deshalb unsere politische Unterstützung verloren. Nach dem erneuten Vorfall beraten unsere Landes- und Bundesgremien über die entsprechenden Konsequenzen, inklusive Ausschlussverfahren.“

Dennis Aogo

Alte Zeiten: Hier bejubelt Aogo (r./daneben David Jarolim) im November 2011 den Sieg des HSV in Stuttgart.

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WITTERS

Palmer selbst erklärte am Samstag in einem langen Facebook-Statement weiter, er habe eine Debatte mit dem Stilmittel der Ironie ins Groteske überzeichnet. „Meine Kritik am Auftrittsverbot von Aogo und Lehmann mit Rassismus in Verbindung zu bringen, ist so absurd, wie Dennis Aogo zu einem ,schlimmen Rassisten‘ zu erklären, weil ihm im Internet rassistische Aussagen in den Mund gelegt werden.“

Voraus ging ein Doppel-Eklat um Ex-Hamburger Dennis Aogo

Zuvor hatte Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann unter anderem seinen Experten-Job beim Fernsehsender Sky verloren, nachdem eine WhatsApp-Nachricht Lehmanns an den Ex-Hamburger Dennis Aogo auftauchte. In der wohl irrtümlich verschickten Message bezeichnete der Keeper den ehemaligen HSV-Profi als „Quotenschwarzer“. 

Lehmann als Laureus Botschafter 2017

Jens Lehmann 2017 in seiner Rolle als Laureus-Botschafter

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imago/Heuberger

Kurz darauf leistete sich Aogo selbst einen Verbal-Entgleiser, als er ebenfalls bei Sky das Champions-League-Halbfinale zwischen Manchester City und Paris Saint-Germain analysierte: „Es ist einfach unglaublich schwer, sie zu verteidigen. Weil, davon gehe ich aus, sie das trainieren bis zum Vergasen.“ Sofort hagelte es heftige Kritik an Aogo, der mit seiner Wortwahl den Holocaust mit Millionen in Gaskammern ermordeten Juden relativierte, so die Vorwürfe. Auch Aogo verlor daraufhin seinen Job bei Sky. (mik/dpa)

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