Rüstungsexporte: Wo auf der Welt mit deutschen Waffen gekämpft wird
Stockholm/Berlin –
Nach Saudi-Arabien liefert Deutschland keine Waffen mehr. Und auch sonst hatte die Koalition ein besonders „restriktives“ Vorgehen in Sachen Rüstungsexporte versprochen. Der neueste Bericht des schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri zeigt: Entgegen diesen Beteuerungen hat die Bundesrepublik ihre Exporte noch einmal ordentlich gesteigert. Vor allem von Linken und Grünen kam Kritik.
Sipri dröselt in seinem Bericht über Rüstungsexporte jedes Jahr auf, wie sich der weltweite Waffenmarkt entwickelt hat – und zwar stets in einem Fünf-Jahres-Vergleich. Nach jahrelang rasantem Anstieg ist laut Sipri derzeit ein Abflachen der Kurve zu verzeichnen. Ob die Zahlen dauerhaft sinken würden, etwa wegen der Kosten der Pandemie, das könne man aber noch nicht sagen, so die Experten. Zudem hätten einige Nationen auch auf dem Höhepunkt der Corona-Krise 2020 noch große Rüstungsverträge unterzeichnet.
Mehr Exporte von Deutschland, Frankreich und USA
Unter den Top-5-Exporteuren stemmten sich neben Deutschland auch Frankreich und die USA gegen den „Trend“ und erhöhten ihre Ausfuhren. Russland und China dagegen hatten leicht rückläufige Zahlen. Bei Russland wurde das darauf zurückgeführt, dass Indien seine Importe um ein Drittel gesenkt hat.
Einsamer „Spitzenreiter“ bleiben die USA: Sie lieferten Waffen an 96 Staaten und sind nach einer Steigerung um 15 Prozent mittlerweile für 37 Prozent der weltweiten Exporte verantwortlich. Danach folgen Russland mit rund 20 Prozent und Frankreich. Deutschland ist mit 5,5 Prozent Vierter vor China.
Spitzenreiter USA liefert an Spitzenreiter Saudi-Arabien
Aber wo gehen die Waffen hin? Die USA exportieren laut Sipri fast die Hälfte in den Nahen Osten. Hauptabnehmer: Saudi-Arabien. Das Land blieb zugleich der weltgrößte Waffenkäufer, steigerte seine Einkäufe gar um 61 Prozent. Genau wie Katar (+361 Prozent) und Ägypten (+136 Prozent).
Apropos Ägypten: Während die Bundesregierung die Einfuhren nach Saudi-Arabien seit 2018 eingestellt hat, ist Ägypten derzeit größter Nutznießer deutscher Waffen-Exporte. Außerdem oben auf der Liste: die Türkei, Katar, Algerien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Und damit auch Länder, denen teils Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Oder die an Kriegen wie im Jemen oder in Libyen beteiligt sind.
Käufer deutscher Waffen unterstützen Kriegsparteien in Libyen
In Libyen etwa wird seit zehn Jahren gekämpft. Die Libysche Nationale Armee (LNA) unter General Haftar und die international anerkannte Regierung der Nationalen Einheit stehen sich unversöhnlich gegenüber. Es gibt Feuergefechte, Tote, eine humanitäre Katastrophe. Haftar wird unter anderem von Ägypten, Jordanien und den VAE unterstützt, die Zentralregierung von Katar und der Türkei.
Ein UN-Expertenbericht aus dem Jahr 2019 belegte, dass die VAE, Jordanien und die Türkei das UN-Embargo gegen Libyen ignoriert hatten. So gelangten auch deutsche Waffen in die Hände beider Kriegsparteien: Es gibt Bilder von Haftar-Truppen mit Luftabwehr-Systemen auf MAN-Lastern. Die Zentralregierung hingegen verfügt über Mörsergranaten von Rheinmetall Denel Munition, die wohl über die Türkei eingeführt wurden.
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Entsprechend harsch fiel gestern auch die Kritik von Grünen und Linken an der Bundesregierung aus, als die Zahlen des Berichts bekannt wurden. „Union und SPD sind beste Garanten für Megagewinne der deutschen Rüstungsindustrie“, erklärte die Fraktionssprecherin der Linken für Abrüstungspolitik, Sevim Dagdelen. Der „Mythos einer restriktiven Rüstungsexportpolitik“ könne so längst nicht mehr aufrechterhalten werden, ergänzte die Grünen-Kollegin Katja Keul und forderte ein „Rüstungsexport-Kontrollgesetz“.