Alle lieben Jogi Bitter: Das Märchen mit dem deutschen Torwart-Riesen
Groß, größer, Bitter! Der Riese ist endgültig wieder ein Erfolgsgarant im Nationalteam. Mit seiner Gala-Vorstellung beim 34:22-Kantersieg der deutschen Handballer gegen Österreich hat Johannes Bitter nicht nur die Fans zu Jubelstürmen hingerissen. Auch die Mitspieler schwärmen vor dem letzten Hauptrundenspiel gegen Tschechien am Mittwoch (20.30 Uhr/live im ZDF) von dem 2,05-Meter-Hünen aus Hamburg, der neun Jahre nach seinem letzten Turnier im DHB-Trikot bei dieser EM die Parade-Rolle gab als sei er nie weggewesen. Der 37-Jährige ist für die Mannschaft weit mehr als ein starker Rückhalt zwischen den Pfosten. Bitter ist auf einer Mission, seiner letzten großen.
Manchmal braucht es keine Experten-Jury. Schon bevor der Sprecher in der Wiener Stadthalle überhaupt auch nur das Mikrofon an den Mund führte, um die obligatorische Kür zum „Man of the Match“ anzukündigen, da schallte es aus den Kehlen der gut 3000 deutschen Fans: „Jogi, Jogi, Jogi!“ Seine Mannschaft applaudierte dazu. Die anschließende offizielle Verkündung war dann nur noch Formsache. Es konnte nur einen geben.
Ein Gänsehautmoment, der die märchenhafte Rückkehr des Riesen in den Kreis der Nationalmannschaft rund machte.
Johannes Bitter glaubt an das Gespür der Handball-Fans
„Das war wunderschön“, bekannte Bitter später, nachdem er sich in den ersten Statements zunächst noch betont abgeklärt gegeben hatte. „Ich glaube, die Fans spüren, dass ich alles für die Mannschaft gebe, auch wenn ich nicht spiele.“
Diesmal hatte er gespielt – und wie!
Bitter zeigt 15 Paraden, wehrt 54 Prozent aller Bälle ab
Bitter war zur Stelle gewesen, als die deutsche Nummer eins Andreas Wolff schwächelte. Die nackten Zahlen: 15 Paraden in 45 Minuten. 54 Prozent aller Würfe der Österreicher hatte der Torhüter vom TVB Stuttgart abgewehrt. Der nackte Wahnsinn.
Oliver Roggisch lobt Bitter: „Absolute Weltklasse“
„Überragend!“, schwärmte Wolff. „Fantastisch!“, lobte Bundestrainer Christian Prokop. „Absolute Weltklasse!“, urteilte Teammanager Olli Roggisch, 2007 gemeinsam mit Bitter Weltmeister.
Bob Hanning zur MOPO: Entscheidung für Bitter „goldrichtig“
Bitter hatte geliefert, was sich die Teamleitung von seiner für viele überraschenden EM-Nominierung versprochen hatte. „Es war goldrichtig, Jogi mitzunehmen“, sagt DHB-Vize Bob Hanning zur MOPO.
Hendrik Pekeler: Bitter ist „einfach ein guter Typ“
Bitters Wert für die Mannschaft bemisst sich längst nicht nur in der Anzahl der Paraden und in Quoten. „Jogi ist seit Jahren einer der besten deutschen Torhüter – und dazu ist er einfach auch ein guter Typ“, sagt Abwehrchef Hendrik Pekeler im Gespräch mit der MOPO. „Er hat eine große Ausstrahlung und tut der Mannschaft gut. Er kommuniziert viel im Tor. Das gibt der Abwehr Sicherheit. Ich bin froh, dass er dabei ist.“
Johannes Bitter wohnt noch immer in Hamburg
Vom ersten Tag seines Comebacks an war der langjährige Keeper des HSV Handball, der seinen Haupt-Wohnsitz nach wie vor in Hamburg hat und zwischen der Hansestadt und Stuttgart pendelt, ein Führungsspieler. Selbstsicher, krisenerprobt. Mal Einpeitscher, mal Ruhepol. Ratgeber, Seelentröster und mit seinen rhetorischen Fähigkeiten ein Mann, der die richtigen Worte sagt – in der Kabine, aber auch in die Kameras und Mikrofone.
Bitter ist die eierlegende Wollmilchsau des DHB-Teams.
Sorge der sportlichen Leitung erweist sich als unbegründet
In den ersten Tagen des Turniers hatte die sportliche Leitung durchaus mal die Befürchtung, Bitter könne mit seinem Engagement zu viel Kümmerer und zu wenig Keeper sein. Diese Sorge hat sich spätestens mit dem Österreich-Spiel in Luft aufgelöst.
Das könnte Sie auch interessieren: Verband steht zu Bundestrainer Prokop – mit kleiner Einschränkung
Torhüter-Duo: Bitter soll auch Wolff besser machen
Mit dem als nicht ganz einfach geltenden Wolff kann Bitter gut. Beide haben einen Draht. Bitter soll Wolff besser machen, ihn stärken, Halt geben. „Jogi ist eine emotionale Stütze für mich bei diesem Turnier“, bestätigt der bärige Schlussmann vom polnischen Serienmeister Kielce. „Es macht wirklich Spaß, mit ihm ein Torhüter-Duo zu bilden.“
Wie lange noch?
Das große Ziel von Johannes Bitter: zum zweiten Mal Olympia
Auch Bitter hat Spaß bei dieser EM. Was ihn aber wirklich antreibt, ist die Aussicht auf die Olympia-Teilnahme, seine zweite nach Peking 2008. Nur aufgrund dieser Chance hat sich der Tor-Oldie, der seit einiger Zeit mit Ex-Nationalspielerin Anna Loerper liiert ist, bereit erklärt, doch noch mal das Trikot mit dem Adler überzustreifen.
Bitter stellt keine Forderungen
Letzte Ausfahrt Tokio? „Wir wissen alle, was kommt. Erst eine Olympia-Qualifikation und dann hoffentlich die Olympischen Spiele“, hält sich Bitter bewusst allgemein. Er will das alles auf sich zukommen lassen, keine Forderungen stellen, nicht Entscheidungen vorgreifen. Abwarten und Bälle halten. Und im richtigen Moment auch mal die Klappe.
Pekeler: „Für ein, zwei Turniere ist er bestimmt noch zu haben“
„Klar ist, dass Jogi nicht die nächsten fünf, sechs Jahre im Tor stehen wird, aber für ein, zwei Turniere ist er bestimmt noch zu haben“, sagt Pekeler und in den Worten des Kielers schwingt Hoffnung mit. „Ich kann nur sagen, dass ich ihn gerne hinter mir habe.“
Das gefühlte Alter von Bitter? „Da ist eine zwei vorne“
Bitter weiß genau, dass er mit seinen 37 Jahren kein Zukunftsmodell verkörpert, aber der richtige Mann für den Moment ist – und für die kommende Monate sein kann.
Wie denn sein gefühltes Alter sei, fragte die MOPO den Tor-Riesen in einem kurzen ruhigen Moment nach seinem großen Spiel. „Jetzt gerade?“, fragte Bitter mit einem Grinsen zurück. Ja, jetzt gerade. „Da ist auf jeden Fall eine zwei vorne!“