Im Fanstreit: DFL: „Kollektivstrafen haben noch nie ein Problem gelöst“
Berlin –
Im Streit zwischen den Fans und dem DFB meldet sich jetzt auch die Deutsche Fußballliga zu Wort. Zuvor beklagten Fan-Organisationen, dass sich der DFB nicht an Absprachen gehalten habe.
Kurz vor einem Krisentreffen sehen sich gewichtige Fanverbände vom DFB getäuscht. „Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen“, hieß es in einer Erklärung, die am Dienstagabend von der Organisation „Unsere Kurve“ als Reaktion auf die Bekanntmachung des DFB zur Einberufung eines runden Tisches im Streit mit der Ultra-Szene veröffentlicht wurde.
Rainer Koch: „Da ist eine rote Linie überschritten“
Die Fans werfen dem DFB vor, Absprachen zur Vertraulichkeit des Sitzungstermins gebrochen zu haben und nicht wie behauptet selbst Initiator des Treffens gewesen zu sein. Weiter befeuert wurde der Konflikt mit den Fans durch scharfe Worte von Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Vizepräsident Rainer Koch.
Gegen die Beleidigungen von Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp müsse „mit aller Gewalt vorgegangen werden“, forderte Löw am Rande der Auslosung zur Nations League in Amsterdam.
Als Mesut Özil während der WM 2018 von Rechten attackiert wurde, vermissten viele Fans, dass Löw den Arsenal-Star in Schutz nimmt. Das kritisieren einige Fans jetzt.
Koch will auch künftig nicht auf Kollektivstrafen bei Fan-Vergehen verzichten und sagte: „Da ist eine rote Linie überschritten, und wenn alle anderen Mittel nicht ausreichen, wir nicht zu anderen Lösungen kommen, dann muss man in letzter Konsequenz auch mal bereit sein, deutlich zu machen, unter solchen Rahmenbedingungen können wir nicht Fußball spielen, und dann muss solch ein Block auch mal gänzlich geräumt werden.“
DFL will Kollektivstrafen nur als „Ultima Ratio in absoluten Ausnahmefällen“
Die Fußballliga hingegen spricht sich gegen die Kollektivstrafe als probates Mittel aus. „Kollektivstrafen haben im deutschen Fußball noch nie ein Problem gelöst“, heißt es in einer ausführlichen Erklärung der DFL nach einer Präsidiumssitzung. „Als Ultima Ratio in absoluten Ausnahmefällen“ könnten diese aber in sportgerichtlichen Verhandlungen zwischen DFB und Klubs nicht komplett ausgeschlossen werden.
Des Weiteren heißt es in der Erklärung. „Die Meinungsfreiheit, zu der selbstverständlich auch Protest gehört, steht nicht zur Disposition“, so die DFL. Genauso klar sei aber auch: „Menschen gehören auf Plakaten nicht ins Fadenkreuz. Diffamierungen, Hetze und Hass – gleichgültig in welcher Form – sind nicht hinnehmbar. Dies gilt unabhängig von Dietmar Hopp für alle Menschen – jedes Alters, jedes Geschlechts, jeder Religion, sozialen Schicht, Hautfarbe, Nationalität oder sexuellen Orientierung.“
„Unsere Kurve“ und DFB: Treffen diene nicht zur Befriedung
Am vergangenen Bundesliga-Spieltag führten Schmäh-Attacken von Bayern-Fans gegen Hopp fast zum Abbruch der Partie bei der TSG Hoffenheim (hier lesen Sie mehr). Am Dienstag verkündete der DFB, noch in dieser Woche werde es einen runden Tisch der AG Fankulturen geben, in der Vertreter des DFB und der DFL sowie von verschiedenen Fan-Organisationen sitzen.
Das Bündnis „Unsere Kurve“ indes erklärte, der Vorstoß dazu sei von den Fanorganisationen gekommen, nicht von den Fußballverbänden. „Wir haben den Dialog eingefordert, um auszuloten, ob und wie die Situation deeskaliert werden kann“, schrieben die Verfasser. Das Treffen diene nicht der Befriedung der Proteste. Irritiert zeigten sich die Fans, dass der DFB keine Veröffentlichung des Termins gewünscht habe, dies dann am Dienstag aber doch selbst tat.
Schickeria: „Wird Widerstand hervorrufen“
„Damit vereinnahmt er bereits vor der Sitzung die Deutungshoheit. Über den Dialog und über die Inhalte. Das ist keine gute Grundlage für eine Deeskalation“, warnten die Verfasser.
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Auch die Münchner Ultra-Gruppe „Schickeria“ warnte den DFB vor einem weiteren verschärften Vorgehen gegen die Fans. „Wenn der DFB sich nun zum Ziel setzt, dass Kurven sauber sein müssen und vom DFB reguliert werden können, dann wird das Widerstand hervorrufen“, schrieb die Vereinigung, die mit Bannern gegen Milliardär Hopp den Eklat beim Bayern-Spiel in Sinsheim ausgelöst hatte.
Joshua Kimmich: „Vielleicht war das Zeichen zu spät gesetzt“
Ein Spielabbruch sei nie die Intention gewesen, versicherte die „Schickeria“. „Der DFB versucht offensichtlich durch das Setzen neuer Maßstäbe jegliche Kritik in eine verbotene Ecke zu stellen“, schrieb die Münchner Fangruppe. Zudem zeigte sich die „Schickeria“ erbost darüber, dass ihre Schmähungen in Zusammenhang mit dem rassistischen Anschlag von Hanau gestellt wurden. Dies mache „sprachlos“.
Die Schalker Ultra-Gruppe „Ultras-Ge“ veröffentlichte am Mittwoch ebenfalls ein Statement. Dass sich sogar der Vorstand der Schalker „offenbar aufgrund der medialen Hysterie, dazu genötigt fühlt, beinahe federführend für alle Fussballclubs eine Stellungnahme zu veröffentlichen, hat alles aus den Angeln gehoben.“
Es wirke befremdlich, etwaige zukünftige Meinungsäußerungen vorab zu sanktionieren, ohne dass es überhaupt dazu gekommen ist. „Noch nie hat sich unser Verein so verhalten, noch nie ist er derart tendenziös und unobjektiv an Problemstellungen herangetreten“, heißt es weiter.
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Nationalspieler Joshua Kimmich indes hält ein konsequentes Vorgehen gegen Beleidigungen und Diskriminierungen in deutschen Fußballstadien für überfällig. „Man sollte ein Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann“, sagte der 25-Jährige vom FC Bayern dem TV-Sender Sky. „Vielleicht war das Zeichen zu spät gesetzt“, sagte Kimmich und verwies auf frühere Vorfälle, bei denen Fußballer rassistisch attackiert worden waren.
DFB-Direktor Oliver Bierhoff fühlt sich durch die jüngsten Entwicklungen negativ an seine aktive Zeit in Italien erinnert. „Da habe ich das erleben müssen, wie auch Fangruppierungen, die sehr politisch aktiv sind, die sich teilweise gar nicht mehr um den Fußball gekümmert haben, sondern einfach nur Chaos machen wollten, auf den Fußball eingewirkt haben“, sagte Bierhoff. (dpa)