HSV-Profi vor Comeback: Van Drongelen: „Die Verletzungen haben mich verändert“
Was die jüngsten Dramen seines Vereins angeht, zählt Rick van Drongelen fraglos zu den größten Experten. Nach dem Bundesliga-Abstieg 2018 verpasste der Niederländer mit dem HSV zwei Mal knapp den Aufstieg – und will es nun besser machen. Rechtzeitig vor den entscheidenden Saisonwochen ist der Niederländer wieder einsatzfähig. Fehlt nur noch das sportliche Happy End. Im MOPO-Interview erzählt der 22-Jährige, warum es diesmal klappen soll.
MOPO: Rick van Drongelen, rund um den HSV werden zurzeit sehr viele Vergleiche zu den beiden Vorjahren gezogen, als der Aufstieg zum Ende hin verspielt wurde. Was macht Ihnen Mut, dass es diesmal anders läuft?
Rick van Drongelen: Aus meiner Sicht zählen diese Vergleiche nichts. Wir haben viele andere Spieler und auch ein neues Trainerteam, das eine andere Vorstellung davon hat, wie wir spielen wollen. Die Art und Weise, wie wir die Spiele angehen, unterscheidet sich im Vergleich zu den Vorjahren.
Van Drongelen: HSV hat die Zweite Liga endlich verinnerlicht
Inwiefern?
Ich denke jetzt nur mal an unser erstes Zweitligajahr. Da haben wir die Liga nicht immer und von Beginn an als das angenommen, was sie ist. Wir dachten oft, dass es allein über die fußballerische Qualität geht. Aber so geht es nicht. Jetzt spielen wir anders. Weiterhin mit viel Offensivfußball, aber gemischt mit viel Kampf und Defensivarbeit. Wir haben diesbezüglich die Zweite Liga verinnerlicht.
Dennoch wird immer wieder der Vergleich zu den Vorjahren gezogen. Kann man das als Spieler wirklich ausblenden?
Aber diese Erinnerungen werden ja nur von außen gezogen.
Trotzdem: Wie bekommt man es als Profi hin, das nicht an sich ranzulassen?
Ich vergleiche es mal: Sie gucken ja wahrscheinlich auch nicht, was Sie vor ein oder zwei Jahren für Texte geschrieben haben. Und genau das machen wir auch nicht. Wir schauen auf das, was wir erreichen können. Auch wenn es vielleicht nicht immer leicht ist, alles auszublenden.
So konzentriert sich HSV-Profi van Drongelen vor Spielen
Ist der Kopf auf diesem Niveau mitunter wichtiger als die Füße?
Das würde ich nicht sagen. Ohne Füße kannst du ja kein Spiel gewinnen. Aber natürlich spielt der Kopf eine Rolle. Gerade vor den Spielen. Der eine Spieler braucht Lockerheit, der andere die volle Konzentration. Das sind die Minuten, in denen du dich in den besten mentalen Zustand bringen musst.
Haben Sie vor dem Anpfiff Rituale, die Ihnen helfen, den Druck auszublenden?
Oh ja, eine ganze Menge sogar (lacht).
Nämlich?
Ganz kurz vor dem Spiel schreibe ich mir immer nochmal kurz mit meinem Vater. Normalerweise, wenn er im Stadion ist, suche ich vor dem Anpfiff auch immer noch kurz seinen Blick. Ganz wichtig ist auch: Ich wärme mich immer ohne Stutzen auf!
Aufstiegskampf ist für van Drongelen härter als Abstiegskampf
Viele Ihrer Kollegen entspannen mit Musik.
Ich nicht. In der Kabine läuft sowieso schon genug Musik. Ich habe immer versucht, die Atmosphäre mit den Fans aufzusaugen. Das fällt jetzt leider aktuell weg.
Sie haben mit dem HSV auch den Abstiegskampf erlebt. Welcher Druck ist größer: Der, nicht abzusteigen – oder der, wieder aufsteigen zu wollen?
Aus meiner Sicht ist Abstiegskampf mental leichter. Weil du oft der Außenseiter bist und niemand immer nur Siege erwartet. Es spielt sich ganz anders, wenn du immer der Favorit bist. Nehmen wir mal Union Berlin oder Stuttgart. Überlegen Sie mal, wie schwer sie es hatten, aufzusteigen. Und jetzt spielen sie so eine gute Rolle in der Bundesliga. Ich denke, es ist schwerer, erstmal aufzusteigen, als dann drin zu bleiben.
Ab sofort können auch Sie bei diesem Ziel wieder voll mitmischen. Wie groß ist Ihr Hunger, nachdem Sie sich vor zehn Monaten zunächst das Kreuzband und dann im März das Außenband rissen?
Richtig groß! Es ist immer schön, zurückzukommen und wieder Fußball spielen zu können. Aber die Verletzungen haben mich verändert. Ich genieße jetzt einfach den Moment und bin froh, morgens aufzuwachen und nicht mehr an mein Knie zu denken. Ich bin ja eine Zeit lang aufgewacht und da war immer der Gedanke an mein Knie: Mal war es steif, dann hatte ich andere Schmerzen, der Fokus lag immer auf der Verletzung. Nun geht es wieder um Fußball. Das genieße ich sehr.
Nach Verletzung musste van Drongelen seine Eltern beruhigen
Ihr erstes Comeback starteten Sie am 1. März – und verletzten sich beim 0:1 im Derby bei St. Pauli erneut.
Das war natürlich alles Mist. Und trotzdem konnte ich etwas Positives mitnehmen. Die Grätsche, die zu meiner Verletzung führte, war ja auch ein Test, ob mein Knie nach dem Kreuzbandriss hält. Und ich wusste sofort, dass es eine andere Verletzung war.
Viele dachten an eine erneut schlimmere Blessur.
Auch meine Eltern, die in Holland vorm Fernsehen saßen. Sie sahen ja nur, dass ich Schmerzen hatte und haben sich wirklich Sorgen gemacht. Ich konnte sie beruhigen.
Seit drei Wochen trainieren Sie wieder komplett. Sind Sie mittlerweile auch match-fit?
Ja!
Van Drongelen greift beim HSV wieder richtig an
Ohne jede Einschränkung?
Ja, ich bin wieder bei 100 Prozent. Ausdauer hatte ich schon immer, nun ist auch die Kraft zurück. Körperlich bin ich voll da.
Fragt sich nur: Worauf fokussieren Sie sich nun in den Minuten vor dem Anpfiff? Fans sind ja erstmal nicht da?
Das stimmt. Ehrlich gesagt: Ich weiß es noch nicht, aber mir wird etwas einfallen. Die Freude, wieder da zu sein, ist so groß, dass ich ohnehin alles aufsaugen werde.