Corona und überlastete Kliniken: Wie dramatisch ist die Lage in Hamburg wirklich?
Die Lage auf den Intensivstationen in Deutschland spitzt sich zu. Nach und nach werden die Auswirkungen der täglich steigenden Neuinfektionen auch in den Kliniken sichtbar. An technischer Ausstattung mangelt es zwar nicht, dafür vielerorts an fachkundigem Personal. Die MOPO hat in Hamburger Kliniken nachgefragt, wie die Situation vor Ort aussieht.
„Es gibt sicherlich keinen Mangel an Intensivbehandlungsplätzen oder Beatmungsgeräten, problematisch ist allerdings der Personalmangel“, bestätigt Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) über die Lage in Hamburg. Schon vor der COVID-19-Pandemie hätte ein Teil der Hamburger Intensivbetten daher nicht betrieben werden können.
Corona in Hamburg: So ist die Lage am UKE
Am UKE selbst sei die Lage laut Kluge „noch halbwegs entspannt“. Derzeit würden zehn Covid-19-Patienten in der Klinik für Intensivmedizin versorgt. „Insgesamt ist das UKE gut aufgestellt“, so Kluge. Der Klinik stehen mehr als 140 Intensivbetten und 128 Beatmungsgeräte für die konventionelle Beatmung bereit.
Daneben verfügt das UKE über 50 weitere Geräte, die die Beatmung von Patienten teilweise oder vollständig übernehmen können. Um Kapazitäten aufzustocken, werden nicht dringend notwendige Operationen verschoben. „So können wir Personal von anderen Stationen umschulen und auf der Intensivstation einsetzen“, sagt Kluge.
Hamburgs Bürgermeister: Lage „wird schwieriger“
In Hamburg werden momentan 76 Patienten intensivmedizinisch behandelt, bei 41 Patienten ist eine mechanische Beatmung notwendig (Stand 11. November). Das geht aus dem DIVI-Register hervor, das deutschlandweit die tagesaktuellen Versorgungskapazitäten und Fallzahlen von Corona-Intensivpatienten erfasst.
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Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zeigte sich im MOPO-Interview Anfang der Woche bereits besorgt angesichts der Lage in den Kliniken: „Sie wird schwieriger. Schon im Frühjahr haben wir erlebt, dass unsere Intensivkapazitäten begrenzt sind und deshalb planbare Eingriffe verschoben wurden. Das ist in den Kliniken letztlich auch eine Frage des Personals. Wir müssen an die Belastung und Gesundheit der Beschäftigten denken.“
Appell der Asklepios-Kliniken: Notwendige Behandlungen nicht aufschieben
Die Hamburger Asklepios Kliniken behandeln derzeit mehr als die Hälfte aller stationären Corona-Patienten in Hamburg. In einer Pressemitteilung heißt es, die Stationen und Intensivbetten seien wieder stark belegt und der Patienten-Höchststand von Mitte April bereits überschritten. Aktuell sind in den sieben Einrichtungen 172 Covid-Patienten in Behandlung, davon 40 auf den Intensivstationen.
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„Die Kliniken sind deutlich besser auf Covid-Patienten vorbereitet als zu Beginn der ersten Welle“, sagte Christoph Herborn, Vorstandsmitglied der Asklepios Kliniken Gruppe. Die Kliniken hätten viele zusätzliche Beatmungsgeräte beschafft, außerdem seien genügend Masken und Schutzkleidung vorhanden. Die Ärzte appellierten an alle Menschen mit schweren Erkrankungen, eine notwendige Behandlung auf keinen Fall hinauszuzögern. Das gelte insbesondere für Menschen mit einem Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall sowie für Krebs-Patienten.
In Deutschland fehlt es an Pflegepersonal
Deutschlandweit ist die Personallage in der Pflege schwierig. Die Berliner Charité verfolgt aktuell eine ähnliche Strategie wie das UKE. Nicht notwendige Operationen werden reduziert, um Personal freizugeben, das zeigt ein Bericht des „Spiegel“. In anderen Städten mit deutlichen höheren Inzidenzwerten als Hamburg wie rund um Frankfurt, würden laut des Magazins Patienten aufgrund mangelnder Kapazitäten zwischen Krankenhäusern hin- und hergeschoben. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte schon vor zwei Jahren, dass bis zu 80.000 Pflegerinnen und Pfleger in Deutschlands Krankenhäusern fehlen.