In Hamburg gestrandet: Seeleute bangen nach Corona-Odyssee um ihre Jobs
Wegen der Corona-Pandemie sitzen seit Monaten viele Seeleute in Hamburg fest. Besonders prekär ist die Situation der Arbeiter aus Kiribati, die in der Jugendherberge in Horn ausharren, denn der Inselstaat lässt aus Angst vor Corona nicht einmal mehr die eigenen Bürger ins Land. Nun müssen sie sich auch noch um ihre Jobs sorgen.
Tekemau Kiraua ist Kapitän, pendelte zuletzt mit seinem Containerfrachter, der „Hansa Offenburg“, zwischen Australien und Neuseeland. Zuhause ist der 50-Jährige in der Republik Kiribati, ein aus Korallenatollen und Inseln entlang des Äquators bestehender Staat inmitten des Pazifiks. Dass der Kapitän von dort ein Flugzeug nehmen muss, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen, ist er gewohnt – Standard in der internationalen Seeschifffahrt.
Aus Angst vor Corona: Kiribati macht die Grenzen dicht
Allerdings hat Kiraua das schon lange nicht mehr gemacht. Denn er sitzt, fast eineinhalb Jahre nach seinem letzten Besuch bei seiner Frau und den vier Kindern, bereits seit gut drei Monaten mit etlichen anderen Seeleuten in Hamburg fest. Schuld daran ist das Coronavirus und der Umgang seiner Regierung mit der Pandemie. Denn die hat aus Angst vor ersten Corona-Fällen vor knapp einem Jahr den Ausnahmezustand verhängt und kurzerhand alle Grenzen dicht gemacht, auch für die eigenen Staatsbürger.
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Matthias Ristau, Seemannspastor der Nordkirche, und Monica Döring von der katholischen Seemannsmission kümmern sich mit weiteren Kolleginnen und Kollegen um die Gestrandeten. Grundsätzlich haben sie Verständnis für den Willen der Regierung, den kleinen Inselstaat in der Südsee mit seinen knapp 120.000 Einwohnern als eines der letzten Länder weltweit coronafrei zu halten. Denn Kiribati zählt zu den ärmsten Ländern der Welt und die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten sind nach Angaben des Auswärtigen Amts begrenzt.
Gestrandete Seeleute: Hamburg nimmt 150 Arbeiter auf
Für die Seeleute hat das Vorgehen der Regierung aber gravierende Folgen. Denn anders als die meisten der weltweit bis zu 500.000 zeitweise irgendwo festsitzenden Seeleute, waren sie plötzlich alle heimatlos, wussten nicht wohin. „Denn wenn das Heimatland sie nicht haben will, dann will sie auch kein anderer haben“, sagt Pastor Ristau.
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Viele Reedereien entschieden sich nach Rücksprache mit den jeweiligen Regierungen, die Seeleute zu ihren Stammsitzen zu bringen, darunter auch Leonhardt & Blumberg aus Hamburg. Weil deren Seeleute wie Kapitän Kiraua mangels Visa die Schiffe nicht etwa in Australien verlassen und so zumindest in der Region hätten bleiben können, reisten sie fast 16.000 Kilometer in die Hansestadt. „Es ist kein Schiff nach Hamburg gekommen“, sagt Ristau. „Alle sind mit dem Flugzeug gekommen.“
Insgesamt rund 150 Seeleute landeten seit Oktober auf diese Weise in der Hamburger Jugendherberge an der Trabrennbahn Horn. „Das war ein Schock für die“, sagt Döring. Die Verhandlungen mit der kiribatischen Regierung sollten schwierig werden, da die weder auf Briefe der Seeleute noch auf Interventionen der Kirchen oder Reedereien reagierte.
Corona-Odyssee: Erste Seeleute auf der Heimreise
Erst Ende Februar zeichnete sich dann nach langen Verhandlungen eine Lösung ab, allerdings eine recht komplizierte. Die Rückreiseroute sieht nun so aus: Nach einer zweiwöchigen Zimmerquarantäne in der Jugendherberge geht es erst mit dem Bus nach Frankfurt, dann mit dem Flugzeug nach Doha (Katar), weiter nach Brisbane (Australien), dann nach Auckland (Neuseeland) und von dort auf die Fidschi-Inseln, wo die Seeleute wieder zwei Wochen in Quarantäne müssen. „Dann ist es an Kiribati, sie zurückzuholen“, sagt Pastor Ristau. „Theoretisch“, fügt er an.
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Denn bislang hat es weltweit noch kein Seemann geschafft, tatsächlich nach Kiribati zu kommen, wo dann übrigens weitere zwei Wochen Quarantäne warten. Kapitän Kiraua ist trotzdem zuversichtlich, freut sich für die rund 90 Kollegen, die die Jugendherberge unlängst verlassen konnten und inzwischen Fidschi erreicht haben. Ihn treibt aber auch eine große Angst um, die er – ganz Kapitän – stellvertretend für die ganze Mannschaft formuliert. „Wir sind sehr in Sorge, ob wir künftig wieder Arbeit bekommen“, sagt er. (dpa/mp)