„Zurück im Albtraum“: Was passiert, wenn die dritte Welle kommt? Dieser Ort erlebt es
Carabinieri kontrollieren letzte Woche Fahrzeuge an einer der Hauptzufahrtsstraße zu Bollate, in den Außenbezirken von Mailand. Wer aus Brescia kam, musste umdrehen.
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Brescia –
Deutschland ist immer noch im Lockdown – trotzdem steigen die Infektionszahlen wieder an. Ein Anzeichen dafür, dass die gefährlichen Virus-Mutationen bereits flächendeckend grassieren? Die Angst vor einer dritten Welle ist jedenfalls groß – erst recht, wenn man Berichte aus Brescia hört. Die norditalienische Stadt wird gerade mit voller Wucht von Corona überrollt – schon wieder!
„Ich habe alles, was ich konnte, in Covid-Stationen umgewandelt.“ Mauro Borelli, der Direktor der Asst Franciaforte, die mehrere Kliniken in der Region betreibt, schildert dramatische Szenen in einem seiner Häuser. Vor allem im „Chiari“-Hospital in Brescia sei die Lage schlimm: „In einer Woche ist die Zahl der wegen des Virus ins Krankenhaus gebrachten Personen von 50 auf 95 gestiegen“, sagt er zur Zeitung „Corriere della Sera“.
„Zurück im Albtraum“: Brescia wird von der dritten Corona-Welle überrollt
Die 200.000-Seelen-Stadt wird zum dritten Mal von der Corona-Welle überrollt. Im vergangenen Frühjahr war Brescia zusammen mit dem nur 50 Kilometer entfernten Bergamo der Hotspot Italiens. Wie ein Tsunami fegte das Virus damals durch die Lombardei, brachte hunderte Menschen um und die Krankenhäuser sowie Bestattungsfirmen an den Rande des Zusammenbruchs.
Die zweite Welle im zurückliegenden Herbst steckte der Ort besser weg – doch jetzt drohen sich die fürchterlichen Szenen aus dem Frühjahr zu wiederholen. Die Zeitung „Il Giornale“ schreibt: „Brescia fällt zurück in den Albtraum“, das Blatt „Il Fatto Quotidiano“: „Brescia wird erneut zum Epizentrum der Epidemie.“
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Der Grund: In der Stadt und den angrenzenden Gebieten grassiert die britische Corona-Mutation B.1.1.7 – und zwar derart heftig, dass sie laut Borelli mittlerweile „mehr als 60 Prozent der positiven Fälle“ im „Chiari“-Hospital ausmacht.
Provinzweit schätzen Experten den Anteil der Mutation am Infektionsgeschehen auf 40 Prozent. Dass die britische Variante ansteckender ist als das Ursprungsvirus, war bekannt. Aber dass sich die Fallzahlen innerhalb von nur einer Woche verdoppeln, schockiert auch Experten.
Jeden Tag hunderte Neuinfektionen
Zuletzt verzeichnete Brescia bis zu 700 Neuinfektionen – pro Tag! Eine solche Rate würde hochgerechnet auf Hamburg rund 6500 tägliche Neuinfektionen bedeuten. Borelli sagt: „Jeder, den wir behandeln, braucht Sauerstoff und das Durchschnittsalter ist auf 50 Jahre gesunken.“
Viele Kliniken in der Region sind schon jetzt überfüllt, erste Patienten werden in benachbarte Provinzen zur Behandlung gebracht.
Insgesamt liegen in den Krankenhäusern der Provinz nach Angaben des „Corriere“ derzeit rund 800 Covid-Patienten, 70 davon müssen intensivmedizinisch behandelt werden. Noch sei man nicht auf dem Niveau des letzten März, aber „das Bild ist ernst“, so Borelli.
Medien sprechen bereits von der „Brescia-Anomalie“
Die Situation scheint umso beunruhigender, wenn man sich die Todeszahlen anschaut: Allein am Dienstag starben 25 Menschen an Covid-19. Auf Hamburg hochgerechnet wären das 230 Tote pro Tag.
Warum aber sterben in Brescia so viele Menschen an Corona? So richtig erklären kann sich das bislang noch niemand. Medien sprechen bereits von der „Brescia-Anomalie“.
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Mediziner schlagen nun Alarm: Die lokale Ärztekammer etwa veröffentlichte kürzlich einen Hilferuf. „Mit wachsender Besorgnis“ beobachte man die aktuellen Corona-Entwicklungen. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegende seien immer noch „von einem unvergleichlichen Jahr (…) erschöpft“ und stünden nun vor einer neuerlichen, „sehr schwierigen Herausforderung“.
Die Ärzte appellieren: „Wir bitten diejenigen, die auf lokaler, regionaler, nationaler, gesundheitlicher und politischer Ebene die Verantwortung haben, jetzt Entscheidungen zu treffen – auch wenn sie unpopulär sind.“ Denn, so die Mediziner: „Nichts zu tun, wäre unverzeihlich.“
Wieder strenge Corona-Regeln in Kraft, Impfstrategie soll angepasst werden
Ihr Flehen verhallte nicht ungehört. Seit Dienstag gelten in Brescia und angrenzenden Gebieten wieder strenge Corona-Regeln. Schulen und Kitas bleiben zu, Bars und Restaurants müssen ab 18 Uhr wieder schließen. Erst vor zwei Wochen hatte das Land großflächige Öffnungen in Kraft gesetzt – auch in Brescia.
Zusätzlich soll nun auch die Impfstrategie im Eiltempo angepasst werden. So mahnt etwa der Bürgermeister von Brescia, Emilio Del Bono zu mehr Schnelligkeit: „Wir müssen rennen, wir laufen viel zu langsam“. Denn: Bislang hat erst rund ein Prozent der über 80-Jährigen in der Stadt eine Covid-Impfung bekommen, so der „Corriere“. Überlegt wird auch, Zweit-Impfungen vorerst auszusetzen, um möglichst viele Menschen erstgeimpft zu bekommen.
Der Bürgermeister des nahen Orzinuovi, Gianpietro Maffoni fordert sogar, dass die Region sofort mehr Impfstoff bekommen müsse, notfalls auch Dosen, die anderen zugeteilt seien. „Wir müssen Leben retten. Und wir haben keine Zeit mehr.“