St. Paulis Derby-Hoffnung: Guido Burgstaller: „So ein Spiel gibt es nicht oft im Leben“
Der Mann ist jetzt schon unersetzlich geworden, ballert ohne Unterlass und bricht persönliche wie Vereinsrekorde. Guido Burgstaller, der in den letzten sieben Partien für den FC St. Pauli immer mindestens einmal traf, sprach mit der MOPO über seine Derby-Erfahrung, Pendant Simon Terodde, den HSV, Schalke – und natürlich St. Pauli.
MOPO: Sie haben ja ein Faible für Traditionsvereine. Wie denken Sie eigentlich über den HSV?
Guido Burgstaller: Das ist ein großer Verein mit viel Tradition und einer gewissen Wucht dahinter. Der HSV ist auf jeden Fall ein Erstliga-Verein mit dem ganzen Hintergrund, dem Stadion, den Fans. In der 2. Liga ist er immer der Top-Favorit, aber wie man sieht: Es ist nicht leicht, wieder zurückzukehren, weil die 2. Liga sehr ausgeglichen ist.
Ihre persönliche Bilanz gegen den HSV ist jetzt nicht die schlechteste …
Ich glaub, es waren zwei Tore. Aber ich weiß nicht, wie viele Spiele.
Es waren drei Spiele und drei Tore. Gibt es so etwas wie einen Lieblingsgegner für Sie?
Okay. Aber nein, gibt es überhaupt nicht.
Vor Hamburger Stadt-Duell: Burgstaller erinnert sich ans Revier-Derby
Was waren die schönsten bzw. die schlimmsten Derby-Erlebnisse Ihrer Karriere?
Dass einem das 4:4 mit Schalke in Dortmund im positiven Sinne in Erinnerung bleibt, ist glaub ich selbstverständlich. So ein Spiel gibt es nicht oft im Leben.
Sie haben damals 2017 das 1:4 gemacht und waren fast zeitgleich mit dem Ball im Tor, um ihn wieder aus dem Netz zu holen. Haben Sie tatsächlich daran geglaubt, dass da noch was geht?
So blöd, wie es klingt, aber wir haben in der ersten Halbzeit nicht so schlecht gespielt und lagen trotzdem 0:4 hinten. In der Pause haben wir uns gesagt, wir wollen die zweite Halbzeit gewinnen und geben dafür nochmal alles. Das 1:4 hat dann Kräfte freigesetzt, das kann man so gar nicht beschreiben. Jeder kennt ja den weiteren Verlauf des Spiels, und der Ausgleich war absolut verdient.
Fallen Ihnen noch weitere Derby-Erlebnisse ein?
Das 2:0 gegen Dortmund auf Schalke, aber natürlich habe ich auch das ein oder andere verloren. In der Saison 2019/20 0:4 in Dortmund. Ich habe also schon beide Seiten erlebt. Es ist natürlich schöner, wenn du so ein Spiel gewinnst, weil es immer aus vielen Emotionen besteht. Und es kann auch Kräfte freisetzen für die restliche Saison.
Haben Sie das Revierderby am Samstag gesehen? Leiden Sie noch mit den Schalkern?
Klar habe ich mir das Spiel angeschaut. Und es tut natürlich weh, wenn du ein Derby 0:4 verlierst. Klar leide ich noch mit, wenn man mal auf Schalke gespielt hat, verfolgt man das natürlich. Ich kenne noch viele Jungs.
Stehen Sie noch in regelmäßigem Austausch?
Ich telefoniere noch häufig mit Bastian Oczipka, der ja auch mal hier war. Wir sind gute Freunde geworden.
Beim HSV gibt es einen ähnlichen Spielertypen wie Sie, selbe Altersklasse, selbe Position. Wie denken Sie über Simon Terodde?
Ich habe ihn ein paar Mal getroffen, wir wohnen nicht weit entfernt voneinander. Klar quatschen wir dann mal. Ich glaube, dass er auch ein sehr bodenständiger, guter Typ ist. Dass er fußballerisch seine Qualitäten mitbringt, das hat er schon oft gezeigt. Dass er seine absolute Stärke vorm Tor hat. Dem kann man nur Respekt zollen.
Das könnte Sie auch interessieren: HSV-Torjäger Terodde gratuliert St. Pauli zu Burgstaller-Transfer
Gibt es ein Erfolgsrezept dafür, wie man im etwas höheren Alter noch so oft trifft? Wie bewahrt man sich diesen Tor-Hunger und die Gier?
Als Stürmer willst du ja immer Tore schießen, so willst du auch der Mannschaft helfen. Das ist ja schon positionsbedingt so.
Ist das noch die sogenannte alte Schule?
Schwierig zu sagen. Du brauchst auch die gewisse Qualität in der Mannschaft, sonst würdest du als Stürmer ja verhungern. Bei uns funktioniert das ganze Paket gut, ich bekomme meine Chancen, die verwerte ich Gott sei Dank. Dafür brauchst du aber alle drum herum, und wenn das nicht stattfindet, hast du auch als Stürmer Schwierigkeiten.
Kann man Tor-Instinkt erlernen? Welche Rolle spielt Erfahrung?
Ich glaube schon, dass einem eine gewisse Erfahrung natürlich nicht schadet, was den Instinkt betrifft. Du musst halt da sein, das ist das Entscheidende. Wenn du als Stürmer zehn Mal auf den ersten Pfosten läufst, springt dir der Ball fünf Mal vor die Füße und fünf Mal halt nicht. Du brauchst auch das nötige Glück.
Zurzeit läuft es bei Ihnen, das war aber nicht immer so. Wie schafft man es, bei Negativserien nicht zu verkrampfen?
Es spielt sich viel im Kopf ab. Du brauchst gewisse Erfolgserlebnisse, damit du irgendwas hast, woran du glauben kannst. Und du musst immer das Vertrauen in dich haben. Ich hatte ein schwieriges Jahr 2020 mit der Verletzung, auf Schalke nicht mehr so viel gespielt. Natürlich ist die Familie als Rückhalt da sehr wichtig, dass sie dich unterstützt. Das habe ich Gott sei Dank. Und dann habe ich mich einfach nur gefreut, dass ich wieder auf dem Platz stehen darf, dass ich gebraucht werde. Das gibt mir das Gefühl, dass ich wichtig bin.
Wie viel Freude macht es aktuell, in dieser Mannschaft zu spielen und mit ihr Erfolg zu haben?
Natürlich macht das viel Spaß. Ich glaube, dass wir im Großen und Ganzen immer der verdiente Sieger waren, es waren keine glücklichen Siege dabei. Ausgenommen das letzte Spiel gegen Darmstadt. Aber auch da waren wir 2:0 in Führung. Man sieht, dass wir noch viel lernen können, dass da noch viel Potenzial in der Truppe steckt. Und das ist ja auch das Schöne, dass du eigentlich nie fertig bist mit arbeiten und dich immer weiterentwickeln kannst als Team.
Was ist wichtiger: Der Derby-Sieg oder das Fortsetzen der eigenen Tor-Serie?
Das Wichtigste ist immer die Mannschaft und der Erfolg des Vereins. Alles andere sollte man hintenanstellen.
Sie gelten als totaler Teamplayer. Wer war eigentlich der Lieblings-Mitspieler Ihrer Karriere?
Das ist schwierig zu sagen. Es gibt bei jedem Verein ein, zwei Mitspieler, mit denen man sich besser versteht. Aber dass ich da jetzt Einzelne rauspicken kann … das wäre unfair.
Wo landet der HSV am Ende der Saison?
Von der Qualität der Mannschaft her, was die im Kader haben, glaube ich schon, dass sie es dieses Jahr schaffen.